Die Solidarität bröckelt

Der deutsche Föderalismus treibt seltsame Blüten. Aktuelles Beispiel ist der Streit über die finanziellen Konsequenzen der Gesundheitsreform. Die reichen Südländer protestieren, ihre Krankenkassen könnten zu Gunsten der Versicherten in ärmeren Regionen über Gebühr belastet werden.

Dabei funktioniert der Kassenausgleich nach dem Solidarprinzip. Wer daran rütteln will, müsste auch die allgemeine Arbeitslosenversicherung infrage stellen. Bringen doch höhere Löhne und niedrigere Erwerbslosenzahlen mehr Beiträge ein. Diese Überschüsse fließen dann in Regionen, die unter umgekehrten Vorzeichen zurecht kommen müssen. Einstweilen bahnt sich die Auseinandersetzung aber auf einem anderen Feld an. Es geht um die geplante Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Baden-Württembergs Regierungschef Günther Oettinger befindet, dass die Länder auch mehr Spielraum bei der Erhebung eigener Steuern und Gebühren bekommen müssen. Schließlich verfügten sie ja auch über weit reichende Kompetenzen bei den Ausgaben. Mal davon abgesehen, dass das deutsche Steuerwesen schon undurchsichtig genug ist - was scheinbar plausibel klingt, würde die Mauer zwischen armen und reichen Bundesländern erst recht zementieren. Denn Investoren und gut verdienende Fachkräfte siedeln sich natürlich dort an, wo sie am wenigsten zahlen. Wer als Bundesland "Zuschläge" erheben muss, hätte das Nachsehen. Für Europa wird dieser Zustand übrigens schon länger beklagt. Die extrem niedrigen Steuersätze für Unternehmen in osteuropäischen EU-Staaten sind dem Bundesfinanzminister ein Dorn im Auge, weil sie den Wettbewerb verzerren. Ein nationaler Wettbewerbsföderalismus hätte ähnlich fatale Konsequenzen. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort