Die einsamen Rufer

Die Parteien haben den Wahlkampf-Motor bereits angeworfen, lange bevor Bundespräsident Horst Köhler dafür grünes Licht gab. Und sie werden erst recht nicht inne halten, um einen Urteilsspruch der Roten Roben in Karlsruhe abzuwarten.

So gesehen könnte man mit den beiden Klägern, Jelena Hoffman und Werner Schulz, fast Mitleid haben. Wie einsame Rufer in der Wüste reden sie gegen eine scheinbar erdrückende Übermacht an: Das Volk will Neuwahlen, Regierung und Bundestag wollen Neuwahlen und das Staatsoberhaupt will sie auch. Trotzdem wäre es töricht, die beiden Abgeordneten als Spinner abzutun. Zunächst einmal ist es gutes parlamentarisches Recht, einen politischen Beschluss auf seine Verfassungsfestigkeit abzuklopfen. Auch Juristen, die am Bestand der Neuwahlentscheidung keinen Zweifel haben, sind nicht unbedingt glücklich über den Weg dorthin. Hoffmann und Schulz sprechen denn auch für alle, die an dem Verfahren einer absichtsvoll verlorenen Vertrauensfrage Anstoß nehmen. Streng genommen ist eine gewisse politische Trickserei sogar notwendig, um das Volk vorzeitig an die Urnen zu rufen. Ein klares Procedere lässt die Verfassung an dieser Stelle jedenfalls vermissen. Umso mehr kann man auf den Spruch der Karlsruher Richter gespannt sein. Auch wenn sie nicht so tollkühn sein dürften, mit einer glatten Revision gleich drei Verfassungsorgane (Kanzler, Parlament und Präsident) zu beschädigen, so könnte am Ende doch der Auftrag an die Politik ergehen, für Transparenz im Wiederholungsfall zu sorgen. Eingedenk schlechter Erfahrungen in der Weimarer Republik haben die Verfasser des Grundgesetzes auf ein Selbstauflösungsrecht des Bundestages verzichtet. In einer gefestigten Demokratie muss das aber nicht so bleiben. nachrichten.red@volksfreund.de

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