Die islamistische Szene brodelt

TRIER. Die Gefährdung durch islamistischen Terrorismus hat in den vergangenen Jahrenstetig zugenommen. Auch in Deutschland drohen Anschläge. Das sagte ein Experte desBundeskriminalamtes bei einer Tagung in Trier.

"Wir sprechen hier nicht vom 11. September 2001, sondern über einen Prozess, der über viele Jahre anhält." Sinan Selen, Leiter des Referats zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus beim Bundeskriminalamt (BKA), vertrat bei der Tagung "Islam und Terrorismus - Ein Zusammenhang?" an der Katholischen Akademie in Trier eine nicht eben beruhigende Position: Islamismus und islamistischer Terrorismus breiten sich aus. Fundamentalistische Kräfte erstarken, auch bei uns steigt die Zahl islamistisch motivierter Menschen. In Deutschland laufen nach Angaben Selens 148 Ermittlungsverfahren aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus und 22 Verfahren zur Aufhellung von Netzwerkstrukturen. Überhaupt ist die Bundesrepublik dem Experten zufolge keinesfalls eine Insel der Glückseligen: Die Unterstützung der irakischen Polizei, das Engagement in Afghanistan und das entschiedene Vorgehen gegen islamistische Strukturen im eigenen Land hätten dazu geführt, dass Deutschland in Reden Bin Ladens & Co. wiederholt als Anschlagsziel aufgetaucht sei. In El-Kaida-Texten stelle man eine Zunahme entsprechender Nennungen der Bundesrepublik fest. Sie sei "Teil des europäischen Gefährdungsraums", sagte Selen, und dort bestehe "eine abstrakt hohe Gefährdung". Im Klartext: Konkrete Hinweise auf geplante Terrorakte gibt es nicht, doch man weiß, dass die islamistische Szene hierzulande aktiv ist, dass es "brodelt", wie sich der BKA-Mann ausdrückte. Seine Rezepte gegen solche Gefahren: Schulterschluss mit gemäßigten islamischen Kräften, bessere Integration zur Vermeidung von Parallel-Gesellschaften, Zusammenarbeit aller betroffenen Stellen und eine systematische internationale Gefahrenabwehr - wofür nach Auffassung Selens dringend die Kompetenzen des BKA erweitert werden müssen. Vielleicht, macht er den Teilnehmern - Polizeibeamte, Richtern und Staatsanwälten aus ganz Deutschland - am Schluss immerhin ein bisschen Hoffnung, könne so ein Brechen aller Dämme verhindert werden. "Ich möchte kein ganz schwarzes Bild zeichnen."

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