Die letzte Chance

Keine Frage, Edmund Stoiber und Franz Müntefering haben mit ihrem Papier zur Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern eine solide und richtungsweisende Arbeit abgeliefert. Natürlich sind nach wie vor wichtige Fragen offen, einige besonders heikle Komplexe wie der Länderfinanzausgleich ausgeklammert, aber angesichts der Herkulesaufgabe, die beide Verhandlungsführer in den letzten Monaten zu schultern hatten, war mehr nicht zu erwarten.

Der Satz von der Mutter aller Reformen ist durchaus nicht zu hoch gegriffen. Daran ändert auch das aufgeregte Gegacker aus allen politischen Lagern nichts. Denn es geht bei der Neuordnung von Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern zwar auch um viele Sachfragen, aber es geht vor allem um zweierlei: um Macht und um Milliarden. Jetzt, wo das Gerüst steht, beginnt auch das Geschachere. Ministerpräsidenten aus allen Himmelsrichtungen hufen heftig, fordern vehement Nachbesserungen - und auch das ist verständlich. Der orientalische Basar von Berlin ist eröffnet, und jeder wird in den nächsten Tagen versuchen, möglichst viel für sein Land oder den Bund preiswert abzustauben. Zwei Beispiele von vielen: Die neuen Länder bangen um den Solidarpakt, Otto Schily pocht auf mehr Zuständigkeiten des Bundeskriminalamts. Verhandlungsmasse für beide Seiten. Bei aller Feilscherei sollten sich die Kontrahenten aber über eines im Klaren sein: Scheitert diese Verfassungsreform, wäre das die endgültige Bankrotterklärung der politischen Eliten in Bund und Ländern. Der ohnehin nur noch kleine Rest von Vertrauen in die Fähigkeit von Politikern, Probleme zu lösen, wäre dahin. Es ist die letzte Chance. Umgekehrt aber könnte eine Einigung das Aufbruch-Signal sein, das dieses Land so dringend braucht. Es geht etwas, wenn alle es wollen. Diese Botschaft muss am Ende stehen. d.schwickerath@volksfreund.de

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