Diplomatische Watschen

George W. Bush ist ein Meister der Holzhammermethode. Ob auf dem Schlachtfeld oder in der Diplomatie - der US-Präsident liebt eher den Säbel als den Degen. Bundeskanzler Schröder kann davon ein Lied singen, denn gestern strafte der Texaner den Niedersachsen meistergültig ab und schickte ihn diplomatisch bereits zurück auf die "Ersatz-Bank".

Während Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin US-Außenminister Colin Powell empfing, plauderte der US-Präsident gönnerhaft in Washington im Weißen Haus mit dem CDU-Kronprinzen Roland Koch. Peng: Das saß! Ursprünglich traf sich der hessische Ministerpräsident in den USA mit US-Vize Dick Cheney. Doch dann schneite George W. Bush rein und machte als guter Gastgeber dem Unionspolitiker seine Aufwartung. Eigentlich nichts Außergewöhnliches, wäre Bush nicht Bush und der amerikanische Präsident. Denn ansonsten gehört es nicht zu den höflichen Gepflogenheiten des US-Präsidenten, gewöhnlichen Politikern eine Audienz zu gewähren. Sicher haben Bushs Berater ihrem Chef gesteckt, dass Koch der kommende Mann in der Union ist, Stoiber auf das Amt des Bundespräsidenten schielt und Angela Merkel wohl doch nicht das Zeug zur ersten deutschen Kanzlerin hat. Sicher verbindet beide auch ihr politischer Charakter. Doch ist das Grund genug, den Hessen als ersten deutschen Politiker seit Beginn des Irak-Krieges zu empfangen? Nein, zu viel der Ehre für den Mann aus Frankfurt. Bush hat noch eine Rechnung offen - nicht mit den Deutschen - aber ganz offensichtlich mit Kanzler Schröder. Dessen (Friedens-)Haltung im Irak-Krieg ist George W. Bush nach wie vor ein Dorn im Auge. Seit Monaten reden die beiden Staatsmänner kein Sterbenswörtchen miteinander. Bei denersten Annäherungsversuchen über den großen Teich hinweg achteten die Amerikaner stets darauf, den Deutschen die kalte Schulter zu zeigen. Vor allem Verteidigungsminister Peter Struck musste mehrfach mit erzwungenem Lächeln vor die Kameras treten und gute Miene zum bösen Spiel machen. Auch Schröder verging gestern das Lachen nach dem Treffen mit US-Außenminister Powell. Zu eindeutig war die Bush-Watschen. Von Normalität oder gar der Rückkehr zur "Alten Freundschaft" sind beide Regierungs-Chefs weiter weg als je zuvor. Und aus der dritten politischen Reihe kommen die nächstenUS-Breitseiten gegen Schröder: "Normalität mit Deutschland. Ja. Aber erst, wenn Schröder nicht mehr im Kanzleramt sitzt." Schröder bleibt nichts übrig, als die Faust in der Tasche zu ballen und Ruhe zu bewahren. Seine Zukunft als Bundeskanzler wird sich nicht an seinem Verhältnis zu Bush entscheiden. Die deutschen Wähler interessieren andere Fragen viel dringender. Doch auch dort hat Schröder gerade schlechte Karten. Nur 26 Prozent der Deutschen würden derzeit die SPD wählen - Haushaltslöcher und Reformdebatte schaden dem Niedersachsen mehr als Bush mit seinenAttacken. Schröders Diplomatie ist bei den Gewerkschaften gefragt, nicht bei Bush. h.waschbuesch@volksfreund.de

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