Diplomatischer Drahtseilakt

Der zweitägige Polen-Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ein diplomatischer Drahtseilakt. Seit die stramm konservativen Kaczynski-Zwillinge in Warschau das Sagen haben, ist das ohnehin immer noch nicht spannungsfreie deutsch-polnische Verhältnis zunehmend abgekühlt.

Verantwortlich dafür ist zum einen das in Berlin geplante Dokumentationszentrum für Vertreibungen. Aber auch die Entschädigungs-Forderungen der deutschen Privatorganisation "Preußische Treuhand" lassen jenseits der Grenze alte Ängste und Ressentiments wieder aufleben. Die Bundeskanzlerin hat am ersten Tag ihrer Visite alles getan, um die Situation zu entkrampfen, die im Vorfeld durch unbedachte Äußerungen von Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach und des polnischen Regierungsbeauftragten Mariusz Muszynski auf beiden Seiten zusätzlich angeheizt worden war. Angela Merkel hat in Warschau klar gestellt, dass es in einem deutschen Dokumentationszentrum keine Umdeutung der Geschichte geben wird; und dass die Preußische Treuhand mit keinerlei Unterstützung der Bundesregierung rechnen kann. Merkel vergaß auch nicht zu betonen, dass es maßgeblich die polnische Demokratiebewegung war, deren Engagement letztlich zum Fall des Eisernen Vorhangs und damit auch zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung geführt hat. Es waren die richtigen Worte zur richtigen Zeit. Die aber kann die deutsche Kanzlerin jetzt auch von der anderen Seite erwarten. Polnische Alleingänge wie bei der geplanten Raketenabwehr der Amerikaner darf es in der EU nicht geben. r.seydewitz@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort