Druck von links und rechts

Der schwarz-rote Streit über die Reform des Arbeitsmarktes wird von einer großen Sprachverwirrung begleitet. Mindestlohn, Kombilohn, sittenwidrige Löhne und Lohnuntergrenzen sind nur einige Begriffe, die das politische Gefechtsfeld immer unübersichtlicher machen.

Dabei herrscht zwischen Union und SPD durchaus ein Grundkonsens: Wer anständig arbeitet, muss auch anständig davon leben können. Politisch stehen SPD und Union hier gleichermaßen unter Druck. Den Sozialdemokraten macht die Linkspartei zu schaffen, die sich als Gralshüter von Arbeitnehmerinteressen und sozialer Gerechtigkeit in Szene setzt. Obendrein fühlen sich die Gewerkschaften von der SPD sträflich vernachlässigt. Kürzungen beim Arbeitslosengeld, weniger Kündigungsschutz und vor allem die Rente mit 67 haben das Verhältnis der eigentlich traditionell verbundenen Organisationen auf den Gefrierpunkt gebracht. Ohne ein vorzeigbares Ergebnis bei der Neuordnung des Niedriglohnsektors wäre das Tischtuch zwischen SPD und DGB wohl endgültig zerschnitten. Die Union wiederum befürchtet, dass der rote Koalitionspartner den Kampf gegen Hungerlöhne als populäres Wahlkampfthema ausschlachten wird. Gleichzeitig muss sich Angela Merkel um ihren geschwächten Wirtschaftsflügel sorgen, der durch allzu arbeitnehmerfreundliche Töne vollends verprellt werden könnte. So kommt es, dass die Wortakrobaten im Konrad-Adenauer-Haus über Lohnuntergrenzen philosophieren, um den Begriff vom "Mindestlohn" zu meiden, und schon seit geraumer Zeit auf einen Pappkameraden einschlagen. Der heldenhafte Widerstand von CDU-General Pofalla gegen den "einheitlichen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn" ist deshalb lächerlich, weil die SPD dergleichen gar nicht einzuführen beabsichtigt. Ihr Arbeitsminister Franz Müntefering hat längst erkannt, dass von den Tarifpartnern ausgehandelte Mindestlöhne, die dann per Rechtsverordnung auch in Unternehmen ohne Tarifbindung gezahlt werden müssen, politisch mehr Erfolg versprechen. Freilich hat dieser Ansatz nur für Bereiche Sinn, in denen die Tarifpartner auch tatsächlich Existenz sichernde Löhne aushandeln. Der viel zitierten Friseurin in Sachsen wäre nicht einmal mit dem Gesetz gegen sittenwidrige Löhne geholfen, das Müntefering jetzt zusätzlich ins Spiel gebracht hat. Wer schon heute mit einem tariflichen (!) Stundenlohn von 3,83 Euro leben muss, dürfte kaum geneigt sein, die Justiz einzuschalten. Wenn die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerseite zu schwach ist, dann hilft tatsächlich nur ein gesetzlicher Mindestlohn. Er könnte sich am gezahlten Arbeitslosengeld II plus Unterkunftspauschale orientieren. Vielleicht gäbe es dann weniger Friseurgeschäfte. Aber die bestehenden würden endlich wieder um mehr Qualität und Service konkurrieren, anstatt um das fragwürdigste Preisangebot für den Verbraucher. nachrichten.red@volksfreund.de

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