Ein Anfang ist gemacht

Diejenigen, die sich zu Zehntausenden aufgemacht haben, um friedlich in und um Rostock gegen die Tatenlosigkeit der acht Mächtigsten zu demonstrieren, sind nicht nur zu bedauern angesichts der Krawalle. Sie sind auch für ihren Mut zu bewundern.

Gewiss, brutale Randalierer haben den Blick auf die zahlreichen Demonstrationen und Kundgebungen verzerrt. Was die Bundesrepublik jedoch zugleich im hohen Norden erlebt, ist eine unerwartete Politisierung großer Teile der Bevölkerung, besonders der als so träge und selbstverliebt geltenden Jugend. Respekt. Das tut dem Land gut. Wenn man sieht, wie vielfältig, bunt und offenherzig demonstriert wird, ist das genau das Gegenteil dessen, wofür der G8-Gipfel in seiner jetzigen Form steht: Er ist starr, verschlossen, elitär, entrückt. Fast möchte man schon vom Beginn einer neuen Protestkultur sprechen, die an die Friedens- und Anti-Atomkraftbewegung Anfang der 80er-Jahre erinnert. Oder ist es eher Pop und Happening im Camping-Lager, mit bunten Plakaten, kurzen Hosen und vielen Forderungen? Wohl von beidem etwas. Um eine Protestbewegung zu werden, fehlt der gemeinsame politische Nenner, dazu sind die Interessen und Bewertungen der vielen Gruppierungen unter den Globalisierungskritikern noch zu unterschiedlich. Auch ist die Frage der Abgrenzung von Gewalt nach wie vor nicht eindeutig genug beantwortet. Aber: Ein Anfang ist gemacht.

Allein das Armutsproblem in Afrika ist im Bewusstsein der Bundesbürger so präsent wie nie. Das ist - nicht nur, aber auch - ein Verdienst der Schüler, Studenten, Kirchenvertreter und anderen, die in Rostock zu Tausenden friedlich und beeindruckend engagiert auf die Straße gegangen sind. Sie geben den Verlierern der Globalisierung eine Stimme, was umso erstaunlicher ist, da Globalisierungs-Protestler in den meisten Fällen nicht persönlich betroffen von den Missständen sind, die sie anprangern. Ist der G8-Gipfel vorbei, wird sich zeigen, ob die diversen Strömungen in der Lage sein werden, einen einheitlichen Ton zu finden. Die verbindende Idee der Demonstranten ist derzeit, gegen etwas zu sein. Wie es besser werden könnte, da hat jeder seine eigenen Vorstellungen. Sollte dies so bleiben, dürfte der Protest in Zukunft von bedingter Durchschlagskraft sein - und kaum zu einer wirklichen Bewegung werden.

Wer die Fernsehbilder der Krawalle in Rostock aufmerksam verfolgt hat, der hat Demonstranten erlebt, die versucht haben, den Randalierern die Pflastersteine zu entreißen. Hut ab vor so viel Zivilcourage. Die Politik der G8 wird in Zweifel gezogen, aber nicht der Rechtsstaat. Das ist eine wichtige Botschaft. Die Krawallmacher im "schwarzen Block" tragen hingegen teure Sonnenbrillen, die in China gefertigt wurden. Sie stülpen sich Kapuzenjacken aus Korea über und gehen nach der Randale amerikanische Hamburger essen und Cola trinken. Es wäre fatal, wenn die berechtigten Fragen der Kritiker des G8-Gipfels und die wichtigsten Nachrichten der Gipfelwoche hinter jenen zurückstehen müssten, die von Gewalt solcher Idioten handeln.

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