Ein Land im Rabattwahn

Schlangen, Staus, Chaos: Ein halbes Volk steht an, als würden die ersten Fleischmarken nach dem Zweiten Weltkrieg verteilt. Dabei geht es, jedenfalls in den meisten Fällen, um den Dritt-Fernseher, die neueste DVD-Generation, das noch schnurlosere Telefon oder die Waschmaschine, die zehn Umdrehungen pro Minute flotter schleudert als die letzte.

Um Dinge also, die man brauchen kann, aber nicht haben muss. Doch es gibt Rabatt. Und schon dreht sich die Welt schneller. Da wird ins Portemonnaie gepackt, allem Jammern über die Lage zum Trotz. Wer heute was verkaufen will, braucht nicht mit Kinkerlitzchen wie Qualität, Service oder einheimischer Produktion zu argumentieren. Es gibt nur drei Verkaufsargumente: erstens billiger, zweitens billiger, drittens billiger. Glückwunsch an die genialen Marketingstrategen, die diese Kunden-Maxime in eine brillante Kampagne umgesetzt haben. Sie haben ihr Umsatzplus redlich verdient. Und man muss ihnen sogar volkswirtschaftlich dankbar sein, dass sie dem Konsumenten überhaupt noch Geld entlocken. Aber natürlich werden die Rabattierer den Preisnachlass nicht aus ihren Gewinnen finanzieren. Da wird noch mal die Kostenschraube für Lieferanten angezogen, da wird noch mal beim Personal rationalisiert, da werden auch die letzten Steuertricks genutzt. Das Problem ist nur, dass der "Geiz ist geil"-Kunde irgendwo auch Lieferant, Dienstleister, Arbeitnehmer oder Steuerzahler ist. Und irgendwann fällt ihm der großzügig gewährte Rabatt auf die eigenen Füße. Solche Einsicht ist zugegebenermaßen schwer, wenn man gerade ein Schnäppchen ergattert hat. Aber man sollte wenigstens nicht jammern, wenn man den Geiz, der ein Wesenselement dieser Gesellschaft geworden ist, am eigenen Leib zu spüren bekommt. d.lintz@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort