Eine Frage des Vertrauens

BERLIN. Während die Grünen gestern schon mal ein neunköpfiges "Spitzenteam" für den herauf ziehenden Bundestagswahlkampf benannten, mühte man sich in der SPD nach Kräften, Konflikte zu entschärfen.

Für Wirbel sorgte das vom "Spiegel" kolportierte Gespräch zwischen Bundeskanzler und Bundespräsident, bei dem Gerhard Schröder einen Tag nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen seine Beweggründe für vorgezogene Neuwahlen ausgebreitet hatte. Regierungssprecher Béla Anda wollte lediglich den 23. Mai als Termin für die Unterredung bestätigen. Zu ihrem Inhalt vermied er jeden Kommentar. So bleibt undementiert, dass der Kanzler ein "erhöhtes Erpressungspotenzial in der Fraktion und in der Koalition" für seinen Neuwahl-Coup angeführt hatte, was die SPD-Linke gestern ziemlich empörte. In den letzten Jahren habe es immer eine parlamentarische Mehrheit für Schröders Politik gegeben, stellte Präsidiumsmitglied Andrea Nahles klar. "Und das wird auch so bleiben". Fraktionsvize Michael Müller versicherte dem Kanzler ebenfalls die uneingeschränkte Solidarität des linken Flügels. Die Version vom Druck aus den eignen Reihen werde "gezielt gestreut", sei aber mitnichten begründet. Auch der Sprecher der ostdeutschen Sozialdemokraten, Stephan Hilsberg, der dem konservativen Parteikreis zugerechnet wird, fühlt sich düpiert: Der Kanzler selbst habe der Fraktion einiges zugemutet. Dabei seien die Abgeordneten "nicht selten vor vollendete Tatsachen gestellt" worden, klagte Hilsberg. Die Motivation der Genossen für den Wahlkampf wird auch durch eine Bemerkung von SPD-Verteidigungsminister Peter Struck getrübt. Das Kabinettsmitglied hatte es in einem Hintergrundgespräch als "schweren handwerklichen Fehler" bezeichnet, dass Bundespräsident Horst Köhler zuerst via Fernsehen statt vom Bundeskanzler über die Neuwahl-Pläne erfuhr. Er wisse nicht, ob die Worte "so gefallen" seien, suchte Strucks Sprecher die Angelegenheit tiefer zu hängen. Bei diesem Tohuwabohu greifen dann auch Gerüchte um sich, wonach Gerhard Schröder schon vor der angepeilten Neuwahl am 18. September das Handtuch werfen könnte. Der Kanzler selbst sprach gestern von "wildesten Spekulationen" und warb erneut um Verständnis für seine Absicht, die genauen Umstände für die geplante Vertrauensfrage am 1. Juli erst bei dieser Gelegenheit bekannt zu geben. Auch die Grünen wuschen hier ihre Hände in Unschuld. "Von Erpressungspotenzial kann in unserer Fraktion keine Rede sein", erklärte deren Vorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Ansonsten schaut der kleine Koalitionspartner demonstrativ nach vorn. Ein Entwurf für das Wahlprogramm, in dem laut Parteichefin Claudia Roth die soziale Gerechtigkeit "neu" definiert werden soll, ist für den 20. Juni angekündigt. Als Personen wollen die Grünen neben Außenminister Joschka Fischer die Parteioberen Roth und Reinhard Bütikofer sowie die Fraktionschefs Göring-Eckardt und Krista Sager herausstellen. Hinzu kommen die beiden Minister Renate Künast (Verbraucherschutz) und Jürgen Trittin (Umwelt) sowie Steffi Lemke (Bundesgeschäftsführerin) und Volker Beck (Parlamentsgeschäftsführer).

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