Eine neue Ära beginnt

"Zeit für den Wechsel" - dieser Aufforderung von Klaus Jensen sind die Wähler mit großer Mehrheit gefolgt und haben den unabhängigen Kandidaten zum Trierer Oberbürgermeister erkoren. Mithin beginnt am 1. April 2007 eine neue Ära im Oberzentrum der Region, denn erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg erobert ein Sozialdemokrat das wichtigste Amt der Stadt.

Jensen, für SPD und Grüne der Hoffnungsträger schlechthin, hat die hohen Erwartungen erfüllt. Sein Sieg ist ein riesiger Vertrauensvorschuss. Jetzt wird er sich an seinen Wahlversprechen messen lassen müssen. Er tritt vor allem dafür ein, die Bürger stärker zu beteiligen und Entscheidungen und Prozesse transparenter zu machen. Ferner strebt er einen politischen Richtungswechsel an, etwa beim Verkehr, wo er auf Bahn, Bus und das Rad anstatt auf das Auto setzt. Um erfolgreich zu sein, wird Jensen Vermittlerqualitäten beweisen und Überzeugungsarbeit leisten müssen. Denn der Stadtrat wird weiter von der CDU und den Freien Wählern (UBM) dominiert. CDU-Kandidat Ulrich Holkenbrink konnte die Wähler nicht überzeugen, obwohl er engagiert gekämpft hat. Die niedrige Wahlbeteiligung zeigt, dass er die eigene Klientel nur unzureichend mobilisiert hat. Da eine OB-Wahl stets eine Persönlichkeitswahl ist, kassiert der Schul- und Kulturdezernent, der gleichzeitig CDU-Parteichef ist, eine schmerzhafte persönliche Niederlage. Für die Union und ihren ehemaligen Vordenker Christoph Böhr, dessen Kandidat Holkenbrink war, bedeutet dies die zweite vernichtende Schlappe des Jahres. Nach der sang- und klanglos verlorenen Landtagswahl im Mai büßt sie auch in einer der wichtigsten Kommunen des Landes an Macht ein. Die Strategie, dem Volk eine heile Welt vorzugaukeln ("Uns schöner Trier"), ist fehlgeschlagen. Das klare Votum für Jensen dokumentiert die hohe Unzufriedenheit der Bürger. Offensichtlich werden der CDU nicht nur marode Schulen und Straßen angelastet, sondern auch die von Entscheidungen im stillen Kämmerlein geprägte Politik. Mehr als zwei Jahrzehnte lang war OB Helmut Schröer die Galionsfigur der Christdemokraten in Trier und hielt den Laden zusammen. Nun könnten offene Grabenkämpfe ausbrechen. Der von seiner Partei verschmähte Bürgermeister Georg Bernarding, den viele für den besseren Kandidaten hielten, und seine Anhänger werden zumindest intern zur Abrechnung bitten. Selbst wenn es gelingt, die Konflikte sauber und fair auszutragen - die CDU ist erheblich geschwächt und wird sich neu aufstellen müssen. f.giarra@volksfreund.de

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