Ende des Sonderverhältnisses

Deutschland und Russland haben seit Ende des Krieges praktisch bis heute eine spezifische Beziehung gepflegt, eine Beziehung voller Spannung, aufgeladen mit negativer Geschichte und Rivalität. Adenauer holte mitten im Kalten Krieg die letzten Kriegsgefangenen heim.

Willy Brandt suchte mit dem Moskauer Vertrag einen Weg von der Blockkonfrontation zur Entspannungspolitik zu finden. Und auch Helmut Kohl pflegte dieses Sonderverhältnis, weil die Sowjetunion der Schlüssel für die deutsche Teilung und damit auch für die Wiedervereinigung war. Aber für was war Russland noch der Schlüssel, als das Sowjetreich längst zerfallen und die mittel- und osteuropäischen Staaten seiner unmittelbaren Einflusssphäre bereits der EU und der Nato beigetreten waren? Die besondere Beziehung, die Gerhard Schröder zu Wladimir Putin persönlich und zu Russland als Ganzem suchte, diese deutsch-russische Achsenbildung, hatte etwas Überlebtes. Deutschland hat weder die Notwendigkeit, politische Geschäfte auf eigene Rechnung mit Russland machen zu müssen, noch ist es in der Position, solche machen zu dürfen. Die Vertiefung der europäischen Gemeinschaft bedeutet auch Vernetzung, bedeutet gemeinsame Abhängigkeit, bedeutet in der Konsequenz also eine gemeinsame Außen- und Außenwirtschaftspolitik. Das deutsch-russische Sonderverhältnis wird jetzt überlagert von einem Verhältnis zwischen der EU als Ganzer und dem Riesenreich im Osten. Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier scheinen dies erkannt zu haben. Denn sie sprechen, zum Beispiel bei der Frage der Energiesicherheit, schon seit Längerem nicht mehr von Deutschland, sondern von Energiesicherheit für Europa. Für Russland, das mit dem Prinzip "teile und herrsche" historisch durchaus Erfolge erzielte hat, ist dies eine neue Erfahrung. Und für Putin wie für die Oligarchen, die gern Sondergeschäfte zum eigenen Vorteil machen, womöglich eine Enttäuschung. Der Partner EU ist ungleich größer und selbstbewusster als jeder, auch der größte seiner Mitgliedsstaaten. Er kann im Übrigen auch unbefangen von nationalen Rücksichtnahmen auftreten, etwa in der Frage der Menschenrechte und der Pressefreiheit. Das angestrebte Partnerschaftsabkommen auch zu energiewirtschaftlichen Fragen ist eine Herausforderung für beide Seiten: Von den EU-Mitgliedern verlangt es Einigkeit und das Zurückstellen nationaler Interessen. Von Russland Verlässlichkeit und Rechtssicherheit. nachrichten.red@volksfreund.de

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