Ernüchternde Fakten

Während amerikanische und irakische Truppen im Irak eine Großoffensive gegen mutmaßliche El- Kaida-Extremisten starten, lässt der US-Oberkommandierende General Petraeus gleichzeitig eine düstere Prognose durchklingen.

Man werde voraussichlich im Zweistromland noch für die nächsten zehn Jahre die Präsenz von US-Soldaten - wenn auch in abgespeckter Form - benötigen, um radikale Kräfte in Schach zu halten. Daraus lässt sich vor allem ein Schluss ableiten: Selbst wenn Pentagon und Weißes Haus in den nächsten Wochen immer wieder stolz die Zahlen getöteter "Terroristen" präsentieren werden, so ist doch eine rein militärische Lösung der mannigfaltigen Probleme nicht möglich. Schon allein das Ziel der jüngsten Offensive erscheint kaum erreichbar: Man wolle El-Kaida-Elemente in bestimmten Landesteilen "ausmerzen", um den Boden für eine Übernahme der Sicherheitsaufgaben durch rein irakische Verbände zu bereiten, heißt es. Doch wer ist wirklich Freund und Feind? Kommandeure vor Ort berichten immer wieder über die Schwierigkeiten, Extremisten innerhalb einer Bevölkerung zu identifizieren, in der mittlerweile jedermann eine Waffe im Kleiderschrank hat. Und dass irakische Polizei wie Militäreinheiten längst von radikalen Kräften unterwandert sind, ist ein weiteres offenes Geheimnis. Im April und Mai wurden jeweils rund 100 US-Soldaten im Irak getötet - ein blutiger Trend, der sich fortsetzen dürfte, weil nun durch die Truppenaufstockung den Radikalen mehr Ziele zur Verfügung stehen. Die andauernden Selbstmordanschläge sowie die Zerstörung einer bedeutenden schiitischen Moschee in Samarra unterstreichen, dass keinerlei wirkliche Entschärfung der Lage in Sicht ist. Gleichzeitig planen Iraks Parlamentarier einen zweimonatigen Sommerurlaub, anstatt sich mit aller Kraft der Herausforderung der nationalen Aussöhnung anzunehmen. Wer kann angesichts dieser ernüchternden Fakten noch Optimismus zeigen? Nur ein den Realitäten längst entrückter US-Präsident George W. Bush.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort