Es kann jeden treffen

Eine Horrorvorstellung: Ein Patient mit akuter Lungenembolie stirbt in den Händen des Notarztes, weil dieser eine lebensrettende Spritze nicht dabei hat. Unvorstellbar, aber realistisch. Weil die Rettungsdienste die bis zu 1200 Euro teure Spritze über die Krankenkassen nicht abrechnen können, fehlt das lebensrettende Medikament in der Hälfte der deutschen Notarztwagen.

Niemand kann sagen, wie viele Menschenleben hätten womöglich gerettet werden können, wenn die Spritze im Notfall zur Verfügung gestanden hätte. Aber allein der Gedanke, dass Menschen sterben könnten, weil über die Bezahlung eines nachgewiesen notwendigen Medikaments gestritten wird, lässt daran zweifeln, dass wir in einer reichen Gesellschaft leben, die jährlich über 35 Milliarden Euro für Medikamente ausgibt, und über eines der modernsten und teuersten Gesundheitssysteme der Welt verfügt. Jeder, der einen Notarzt braucht, geht eigentlich davon aus, dass ihm bestmöglich geholfen wird, dass alles mögliche getan wird, um sein Leben zu retten. Zumal Herzinfarkt, Schlaganfall und Lungenembolie jeden treffen können. Nun mag die Situation in Trier und im Kreis Trier-Saarburg mit einer beachtlichen Krankenhaus-Dichte, wo im Notfall ein Patient in wenigen Minuten in die Klinik kommt, eine andere sein, wie in Eifel, an der Mosel oder im Hunsrück, wo es bis zur nächsten Notaufnahme durchaus mal eine Dreiviertel-Stunde dauern kann. Doch nachvollziehbar ist es nicht, dass es keine flächendeckende Versorgung mit Lyse gibt. Sie wird dann gebraucht, wenn jede Sekunde zählt, und daher sollte sie zur Standard-Ausrüstung eines Notarztes gehören. Und zwar nicht auf eigene Verantwortung der Rettungsärzte, wie es in der Region aufgrund des Zwists um die Bezahlung anscheinend üblich ist, sondern ganz offiziell. Auch das immer wieder angeführte Argument, dass Lyse bei falscher Anwendung auch tödlich sein kann, sollte nicht dazu führen, generell auf das Medikament zu verzichten. Notärzte sollten in der Lage sein, zu entscheiden, wann und bei wem sie die Spritze setzen können und wann nicht. Dafür sind sie ausgebildet. Wie es geht, zeigen vorbildlich das DRK in Daun und Bernkastel-Wittlich. Zusammen mit dem Krankenhaus haben sie es geschafft, dass es eine flächendeckende Versorgung in den beiden Kreisen gibt, ohne dass ständig über die Übernahme der Kosten gestritten wird. Beispielhaft für die anderen. Ein Menschenleben kann nicht von tausend Euro abhängen. b.wientjes@volksfreund.de

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