Extratouren und Egomanen

BERLIN. (BB/dpa) Die Spekulationen über eine Umbildung des Kabinetts von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) halten sich trotz aller Dementis hartnäckig weiter.

Nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" erwägt Schröder, eine für Herbst geplante Umbildung vorzuziehen, falls der Streit um den Haushalt in den kommenden Wochen eskalieren und Finanzminister Hans Eichel (SPD) sein Amt aufgeben sollte. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg erklärte dazu am Sonntag in Berlin: "Eine Kabinettsumbildung ist nicht geplant." Das Blatt hatte berichtet, Schröder und Kanzleramtschef Frank- Walter Steinmeier führten hinter den Kulissen bereits Personalgespräche. Für das Finanzministerium stehe der frühere Hamburger Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) bereit. Die Aufstellung des Haushalts 2005 bis Ende Juni solle aber in jedem Fall noch Eichel verantworten. Denn für eine Kabinettsumbildung wolle der Kanzler abwarten, wie nach der Europawahl am 13. Juni die neue EU- Kommissionsspitze aufgestellt werde. Falls Deutschland den Posten des Kommissions-Vizepräsidenten nicht bekommen sollte, lautet das Planspiel der Regierungsspitze nach Angaben der Zeitung: Mirow gehe als EU-Kommissar nach Brüssel, der bisherige Erweiterungskommissar Günter Verheugen als Verteidigungsminister nach Berlin, Peter Struck als Eichel-Nachfolger ins Finanzministerium. Als Favoriten für die Nachfolge von Forschungsministerin Edelgard Bulmahn (alle SPD) würden die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen wie auch - im Fall einer Niederlage gegen Horst Köhler - Bundespräsidenten-Kandidatin Gesine Schwan genannt. Auch Wirtschaftsminister Clement steht weiter in der Kritik. Das SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles hat den stellvertretenden Parteivorsitzenden als "Egomanen" bezeichnet. Was sich Clement und einige andere Minister gegenwärtig erlaubten, sei "politische Egomanie" (krankhafte Selbstbezogenheit), die der gemeinsamen Sache schade, sagte Nahles unserer Zeitung. Nahles nahm insbesondere Bezug auf Clements Forderung, den Sparerfreibetrag zu streichen. Im Präsidium habe er "keinen Mucks" davon verlauten lassen, dafür aber in den Medien. "So geht das nicht", sagte Nahles, die am Samstag in Berlin die Frühjahrstagung des "Forum Demokratische Linke 21" geleitet hatte. Die SPD brauche wieder "ein gemeinsames Bild", das nicht durch Extratouren einzelner Genossen getrübt werden dürfe. Als Beispiel für vorbildliches Verhalten nannte sie die Parteilinken, die sich in den vergangenen Monaten "superbrav" verhalten hätten. Rund 50 Mitglieder der Demokratischen Linken hatten sich am Wochenende über die "Perspektiven der SPD" ausgetauscht und "Wege aus der Krise" gesucht. Dabei stellten die Sozialdemokraten nach einem Referat des Privatdozenten Ulrich Eith übereinstimmend fest, dass die Kernkompetenz der SPD nach wie vor im Bereich der sozialen Gerechtigkeit liege. Diese aber sei "in den vergangenen zwölf Monaten verletzt worden". Kritik übte die Parteilinke an den SPD-Gruppierungen "Seeheimer" und "Netzwerker", von denen sie "gerne einmal konkrete Vorschläge" hören würde. .e./joa

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