Familie als Horror-Vorstellung

BERLIN. In Deutschland haben Familien ein Imageproblem. Die Geburtenrate sinkt und sinkt – und das seit Jahren.

Warum setzen die Bundesbürger immer weniger Nachwuchs in die Welt? Das Berliner Forschungsinstitut Forsa befragte im Auftrag der Initiative „Mehr Kinder, mehr Leben” 1535 Personen mit und ohne Kinder. 44 Prozent der befragten Kinderlosen gaben dabei überraschend an, dass sie keinen geeigneten Partner finden. „Es wird sehr lange überlegt, sehr lange geprüft”, so die „Eltern”-Chefredakteurin Marie Luise Lewicki gestern bei der Vorstellung der Ergebnisse. Neben der vergeblichen Partnersuche – die Deutschen brauchen mehr Sicherheit als die Franzosen und Schweden, wie die Experten festgestellt haben – begründeten 39 Prozent der Befragten ihren Verzicht auf Sprösslinge mit der Angst um den Arbeitsplatz, 34 Prozent mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit und 29 Prozent mit den Kosten, die Kinder verursachen. Viele junge Menschen hätten Angst vor der Übernahme von Verantwortung, meinte Lewicki. Erschwerend sei zudem, dass Kinder in den Medien stets als Armutsrisiko dargestellt würden und die Familie in Sendungen wie „Die Super Nanny” sogar wie ein „Horrorfall” daher komme. Die positiven Seiten des Elterndaseins – Glück, Erfüllung, das spannende Gefühl, Kinder aufwachsen zu sehen – fänden hingegen kaum Beachtung. „Familien haben in Deutschland ein Imageproblem”, befand Lewicki deshalb. Das sei ein Hauptgrund, warum die Zahl der Geburten von Jahr zu Jahr sinke, warum ein Drittel der Frauen heute kinderlos bleibe. Dazu passt, dass 75 Prozent der Befragten das Klima hier zu Lande als zu kinderfeindlich empfanden. „Was muss sich in Deutschland ändern, damit Sie sich für ein Kind entscheiden?”, fragten die Meinungsforscher daher. Menschen, die Nachwuchs im Visier haben, wünschen sich gemäß Umfrage vor allem eine kinderfreundliche Gesellschaft (75 Prozent) und mehr Anerkennung für die Erziehung (57 Prozent). Außerdem hoffen sie auf mehr finanzielle Unterstützung vom Staat (67 Prozent), günstigere Preise für Familien (66 Prozent) und kostengünstigere Betreuungsplätze (66 Prozent). Laut Experten lassen diese Antworten folgenden Rückschluss zu: Geld und mehr Betreuung sind wichtig, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie allein reicht jedoch für eine höhere Geburtenrate längst nicht mehr aus. „Anerkennung ist für viele Familien noch wichtiger als Geld”, so das Fazit. jks/alf

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