Faule Kompromisse

Die Gesundheitsreform ist ein Flickwerk billiger Kompromisse und unausgegorener Ideen. Ihr fehlt der Mut, das marode Gesundheitssystem grundlegend umzukrempeln. Stattdessen nur halbherzige Reformansätze, die den Patienten weh tun. Beispiel: Medikamente. Nicht nur, dass die Zuzahlungen für Pillen und Salben kräftig steigen werden, auch die Mittel, die ohne Rezept in der Apotheke erhältlich sind, dürfen nicht mehr verschrieben werden. Warum? Das weiß keiner so genau. Sparen kann man damit jedenfalls nichts. Chef-Reformerin Schmidt konnte sich genau wie Vor-vor-gänger Seehofer nicht mit der -Positivliste für Medikamente durchsetzen. Mit ihr hätte der undurchschaubare Arzneimittel-Dschungel mit knapp 60 000 Präparaten endlich mal gelichtet werden können. Nur noch nachweislich wirksame Pillen hätten verschrieben werden dürfen. Darunter sollten nach Schmidts Plänen übrigens ausdrücklich auch Naturheilmittel sein. Die jährlichen Arzneimittel-Ausgaben von 24 Milliarden hätten so deutlich reduziert werden können. Aber kaum hat die Pharma-Lobby mit Arbeitsplatzabbau gedroht, wenn sie nicht mehr so viel produzieren kann wie bisher, schon knickte die Allparteien-Reform-Runde, von der heute kein Lager mehr dabei gewesen sein will, ein. Statt einer Positiv- gibt es eine Negativliste für rezeptfreie Medikamente. Hammer-Mittel auf Rezept, sanfte Medizin nur auf eigene Kosten. Mit solchen faulen Kompromissen wird die Politik Patienten kaum von der Reform überzeugen können. b.wientjes@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort