Fehler im System

Die wievielte Gesundheitsreform der letzten 20 Jahre erleben wir gerade? Die dritte? Die fünfte? Keine Angst, wir werden auch noch die siebte und die zehnte erleben, und es werden eben solche kurzfristigen Notstopfen sein wie alle ihre Vorgänger.

Es wird immer neue Hilfskonstruktionen geben, mal klügere, mal dümmere, aber keine davon wird mehr sein als ein Aufschub, bis das Boot wieder voll gelaufen ist. Die Politiker wissen das, aber sie werden trotzdem so tun, als hätten sie nun endlich den großen Durchbruch geschafft. Das gilt auch für den jetzt anstehenden Beschluss der großen Koalition. Daran wird sich so lange nichts ändern, wie das Gesundheitswesen für seinen größten Kunden, den Durchschnittsbürger, ein gigantischer, anonymer Apparat bleibt, in den er furchtbar viel Geld hineinstopfen muss, woraus er das Recht ableitet, auch möglichst viel für sich herauszuholen. Es ist ja schließlich alles bezahlt, zurück kriegt man sowieso nichts. Und die anderen Partner im Gesundheitswesen, Ärzte, Kassen, Pharma-Industrie leben auch umso besser, je mehr Geld in den Kreislauf gepumpt wird. Weil das System mangels Korrektiv ständig explodiert, versucht es der Staat mit ausufernder Regelungs-Bürokratie, die dann kunstvoll wieder ausgehebelt wird, was weiteres Geld kostet. Ändern ließe sich das nur, wenn man beim Kunden ansetzt. Wenn er selbst durch eigenes Verhalten positiv oder negativ in die Kostenstruktur eingreifen kann. Wenn kostenbewusstes Verhalten belohnt und kostentreibendes sanktioniert wird. Wenn er zumindest ein Stück weit mitentscheiden kann, welche Leistungen er haben will, und was er dafür zu zahlen bereit ist. Nun gibt es Faktoren, die der Patient nicht beeinflussen kann. Unverschuldete Krankheit beispielsweise. Oder sein Grundeinkommen. Wer ohne eigenes Zutun krank ist oder wird, braucht auch in Zukunft die Solidargemeinschaft. Und wer weniger verdient, darf bei der Krankenversorgung keinen Nachteil haben. Es gibt aber auch Entscheidungen, die der Patient selbst in der Hand hat. Ob er halbwegs gesundheitsbewusst lebt oder nicht. Ob er für jedes Kinkerlitzchen zum Arzt rennt oder nur, wenn es nicht anders geht. Ob er ein Rundum-Sorglos-Paket will (und dafür einen entsprechend höheren Anteil seines Einkommens bezahlt), oder ob er sich mit der Grundversorgung zufrieden gibt und das gesparte Geld lieber für den Urlaub oder das Auto nutzt. Alle diese Entscheidungen hat das deutsche Gesundheitssystem dem Patienten enteignet. Ergo nimmt er, was er kriegen kann. Das ist keine menschliche Schwäche, sondern Logik. Der Fehler liegt im System. Und an das traut sich niemand heran. d.lintz@volksfreund.de

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