Fische, verweigert euch!

Einst hießen die Shows "Spiel ohne Grenzen", und das klang bei weitem frivoler und gefährlicher, als es war. Eine der riskantesten Übungen bestand seinerzeit darin, über schmierseifenbeträufelte Planken ein bis zum Rand gefülltes Wasserglas von A nach B zu bringen, ohne einen Tropfen zu verschütten.

Mit derlei harmlosen Scherzen lockt man heute keinen Hund mehr vor den Fernseher. Gott sei Dank gibt es die Privatsender. In Deutschland wurden sie Jahrzehnte lang von jenen konservativen Parteien gefordert, denen es seit jeher um Tugend, Familie und Frömmigkeit geht. Zum Triumph eben jener Parteien fiel vor genau zwanzig Jahren der Startschuss der Reklamesender, die das Niveau der Fernsehunterhaltung praktisch von diesem Moment an unaufhaltsam gegen Null (und mittlerweile auch darunter) streben ließen. Den Untergang des Abendlandes sahen die Herren, die derlei Programme erst ermöglicht hatten, bereits mit der Stripshow "Tutti Frutti" nahen. Zwei Jahrzehnte, viele Nackte und zahllose Geschmacklosigkeiten später ist es klar: Die Geister, die jene Politiker riefen, werden sie nicht mehr los - das Wasser, um beim Zauberlehrling zu bleiben, steht ihnen sozusagen bis zum Hals. Es wäre jedoch falsch und ungerecht, den Schwarzen Peter nur bei den Schwarzen zu suchen. Wir unterstellen ihnen einmal, so ein Fernsehen nun doch nicht gewollt zu haben. Am Anfang stand wohl eher der Wunsch, ein mediales Gegengewicht zur vermeintlichen Nichtbeachtung durch die "linken" öffentlich-rechtlichen Anstalten zu schaffen. Aber Politik ist nicht senderfüllend, und deshalb muss neben der Peitsche das Zuckerbrot liegen. Davon wurde immer mehr serviert - die Verantwortung für die mediale Karies weiter Teile der Nation liegt also vor allem bei den Programmmachern. Hat nicht der langjährige RTL-Direktor Helmut Thoma selbst es so treffsicher formuliert: "Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler"? Dem ist weiter nichts hinzuzufügen außer der Aufforderung: Fische aller Seen - verweigert euch! Zu dumm, dass man das unter Wasser nicht verstehen kann. r.nolden@volksfreund.de

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