Freier müssen sich warm anziehen

BERLIN.Politiker haben erneut die Freier im Visier, um dem Problem des Menschenhandels zu begegnen. Wird Sex mit Zwangsprostituierten bald mit Strafen belegt?

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden allein in Europa Jahr für Jahr 500 000 Frauen und Mädchen verschleppt und zur Prostitution gezwungen. Zehn Milliarden Euro fließen jährlich in die Kassen von Zuhältern und anderen Kriminellen. Frauenhandel ist damit nach Einschätzung von Fachleuten heute das lukrativste und risikoärmste Geschäft der organisierten Kriminalität. Und das auch in Deutschland, wo laut Experten allein 50 000 Ausländerinnen zwangsweise anschaffen gehen müssen. Zwar verschärfte der Bundestag 2004 die Strafvorschriften gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution, die neuen Regeln sind jedoch noch immer nicht in Kraft getreten. Nach wie vor gilt der deutsche Markt vielmehr als ein besonders attraktiver. Die Politik nimmt deshalb nun erneut die ins Visier, die den Frauenhandel fördern: die Freier. Dass der Menschenhandel rasant steigt, belegen allein die Zahlen des Bundeskriminalamtes - 2003 wurden 36 Prozent mehr an ausländischen Opfern (primär aus Osteuropa) registriert als in 2002. Allerdings ist den Polizeibehörden bekannt, dass die 1108 Betroffenen nicht einmal einen Bruchteil dessen darstellen, was sich tatsächlich hinter den Türen des Rotlichtmilieus abspielt. Die Frauenhilfsorganisation "Solwodi", Solidarität mit Frauen in Not, kämpft seit 18 Jahren gegen Menschenhandel. Dort weiß man, wie Frauen in den brutalen Strudel geraten: Ihre einzige Chance, der Verelendung zu entgehen, sehen viele in einer Arbeit im Ausland. So gelangen sie oft durch falsche Versprechungen in die Hände von Menschenhändlern, die diese Frauen dann an Bordellbesitzer verkaufen. Die meisten werden dabei körperlich und seelisch gefoltert, bis sie gefügig sind. Den Grund, dass in Deutschland das Geschäft mit der Ware Frau boomt und nur schwer verfolgt werden kann, sehen viele Fachleute in der Reform des Prostituiertengesetzes 2002: Prostitution ist seit dem nicht mehr "sittenwidrig", sondern eine "anerkannte Dienstleistung" und ihre "Förderung" nicht mehr strafbar. Hinzu kommt, dass sich Deutschland fatalerweise Zeit ließ mit einem angemessenen Gesetz gegen Menschenhandel, obwohl eine EU-Richtlinie von 2000 längst Handlungsbedarf vorgeschrieben hatte. Seit Oktober gibt es nun den neuen Tatbestand des "Menschenhandels zum Zweck sexueller Ausbeutung" - zufrieden ist damit jedoch niemand. Denn die Freier, "die die Zwangslage der Opfer missbrauchen", beklagen Hilfsorganisationen und Kirchen, spart das Gesetz aus. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) prüft schon länger, ob aber nicht auch die Kunden bestraft werden können, wie es fraktionsübergreifend Politiker fordern. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Die Hauptursache dafür: Zypries sieht Probleme in der Beweisführung, also wie einem Freier vorsätzliches oder leichtfertiges Handeln nachgewiesen werden kann, wenn er die Dienste einer Zwangsprostituierten in Anspruch nimmt. Die Union sieht das anders. Schließlich handele es sich um ein Kontrolldelikt, so der CDU-Abgeordnete Siegfried Kauder. Er will im Strafgesetzbuch bis zwei Jahre Haft oder Geldstrafe verankern, wenn jemand "leichtfertig nicht erkennt", dass er Sex mit einer Zwangsprostituierten hat. Bis zu fünf Jahre drohen dem, der es absichtlich tut. Kauder zielt damit vor allem auf die 2000 Freier, die täglich nach Tschechien fahren. Dort ist Zwangsprostitution üblich. Im März soll sein Antrag in den Bundestag eingebracht werden.

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