Geduldsfrage

Die nun weltweit entbrannte Debatte um die Fragen, ob die öffentliche Zurschaustellung der toten Saddam-Söhne gegen die Menschenwürde, die Genfer Konvention, die guten Sitten, die Regeln der Zivilisation oder einfach nur gegen den gesunden Menschenverstand verstößt, weil nun vielleicht die Märtyrerrolle der beiden unter ihren Anhängern verstärkt wird, hätte die US-Regierung womöglich vermeiden können: mit etwas mehr Geduld. Obwohl Verteidigungsminister Rumsfeld darauf verweist, dass die Herren aus der Villa zurückgeschossen hätten, stellt sich die Frage, ob nicht eine andere Taktik den Amerikanern handfeste Vorteile auch bei der Stabilisierung des Irak gebracht hätte. Denn alle, die sich im Haus verschanzt hatten, saßen in der Falle. Ein Entkommen war nicht möglich, ein risiko-armes Aushungern wäre einen Versuch wert gewesen. Wäre man der Brüder lebendigen Leibes habhaft geworden, hätte dies die einmalige Möglichkeit eröffnet, das irakische Volk in einem öffentlichen Prozess über ihr Schicksal urteilen zu lassen - und gleichzeitig das Signal zu geben: Wir bevormunden euch nicht, sondern überlassen euch die Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Nun hat man zwei Leichen und jede Menge Probleme. Was soll nun mit den beiden Toten geschehen? Eine Übergabe an Angehörige desSaddam-Clans im Irak dürfte umgehend zu einer Pilgerstätte für unbekehrbare Baathisten führen. Behält das Weiße Haus aber die Leichen, wird es sich am Ende den Vorwurf aus der islamischen Welt gefallen lassen müssen, nicht nur gegen die dort geltenden Bestattungs-Regeln zu verstoßen, sondern den Tod der beiden Despotensöhne auch zu einer Provokation der Andersgläubigen genutzt zu haben. nachrichten.red@volksfreund.de

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