Geheimnis an der Kaffeetasse

Was würde Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach wohl sagen, wenn man von seiner Kaffeetasse heimlich eine Gen-Probe entnähme, um festzustellen, ob der Politiker vielleicht eine Disposition für eine Erbkrankheit hat und es sich lohnt, ihn wieder zu nominieren?

Würde der Angestellte es hinnehmen, wenn der Chef während der Probezeit seine DNS entschlüsseln ließe, um zu ermitteln, ob der Mann gesund bleiben wird? Heimliche Gentests verstoßen gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht muss genauso geschützt sein wie zum Beispiel das Brief- und Postgeheimnis. Für jeden, auch für das Kind. Wo überhaupt wollte man eine Altersgrenze ansetzen, ab der die eigenen Gendaten vertraulich sind? Da nutzt auch Bosbachs pragmatischer Hinweis nichts, dass in den meisten Fällen heimliche Gentests einen anfänglichen Verdacht zerstreuen und somit weitere Rechtsverfahren überflüssig machen. Nach dieser Methode dürfte man auch alle Telefonate abhören oder Briefe öffnen - meistens fände man ja nichts. Auf einem anderen Blatt steht, dass Männer ein Recht darauf haben müssen, ihre Vaterschaft festzustellen, auch wenn die Mutter dies verweigert. Dazu hat das Verfassungsgericht der Politik einen gangbaren Weg gewiesen. Wenn Justizministerin Brigitte Zypries ihn umsetzt, also wirklich den Rechtsanspruch auf einen legalen Gentest zur Feststellung der Vaterschaft schafft, ist das Verbot der heimlichen DNS-Analyse, inklusive einer Strafandrohung, die logische Konsequenz. Ein entsprechendes allgemeines Gesetz zu Gendiagnostik ist überfällig. nachrichten.red@volksfreund.de

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