Gemischte Gefühle

Ein kleiner Dämpfer für die Vorsitzende trübte am Ende den Parteitag für Angela Merkel: "Nur" 88,4 Prozent wählten sie, rund fünf Prozent weniger als vor zwei Jahren. Fraglos ein gutes, aber eben kein berauschendes Ergebnis.

Gleichwohl kann der erste Tag des Konvents durchaus als Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins der CDU gewertet werden. Auch als Indiz, dass sich die rheinisch-katholisch geprägte Christenpartei wohl endgültig für die ostdeutsche Protestantin als ihre nächste Kanzlerkandidatin entschieden hat. Und weil diese Frage für die CDU offenbar entschieden ist, bleibt der kleineren CSU nichts anderes übrig, als diese Vorentscheidung zu akzeptieren. Diese Entwicklung könnte dazu beitragen, das Verhältnis der beiden Schwestern auf eine Basis zu stellen. Eine politische Botschaft ist mit dem Parteitag allerdings nicht verbunden. Die strategische Ausrichtung der CDU-Politik steht seit längerem fest, sie ist im mühsam gefundenen Gesundheitskompromiss deutlich geworden und im Steuermodell, das allerdings nur in der Theorie nett ausschaut. Für die CDU ist der Parteitag eine Etappe auf dem Weg zur Macht. Mehr nicht. Es wurde für Angela Merkel nicht die klassische Krönungsmesse, die vor einem Jahr im Hochgefühl der guten Umfragewerte noch erwartet wurde. Noch weniger war es indes das "Requiem", über das nach dem monatelangen Zank mit der bayerischen Schwesterpartei im Vorfeld ebenfalls eifrig spekuliert worden war. Und weil in Merkels Vortrag auch in sachlichen Fragen Unschärfen erkennbar wurden, blieb eine leichte Unsicherheit bei den Delegierten zurück. Man hofft, auf dem richtigen Weg zu sein. Hinzu kommt die Furcht, die Zuversicht bei den kommenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wieder zu verlieren. Damit wären wir beim Kernproblem der Union: Sie redet sich ihre Konzepte schön, obwohl selbst eingefleischte Parteimitglieder nicht wirklich davon überzeugt sind, und ihre Eignung als Wahlkampfschlager anzweifeln. Aber was bleibt Merkel anderes übrig? Sie musste sich mit der CSU einigen. Merkel hat es auch deshalb schwer, weil sie den Spagat üben muss zwischen der wirtschaftsliberalen Merz-Fraktion und dem Sozialflügel der Partei, der einer weiteren Auflockerung des Kündigungsschutzes nichts abgewinnen kann. Um die Probleme zu umschiffen, hat Merkel ihre Schwerpunkte am Nikolaustag deshalb auch anders gewichtet. Sie hat in ihrer Rede die konservativen Werte wieder in den Mittelpunkt gerückt, sie hat sich emotional der Partei angenähert, sogar mit einer persönlichen Note. Ganz wie weiland Helmut Kohl, der alte Lehrmeister. Dass die Vorsitzende auf neue oder provokante Thesen ganz verzichtet hat, zeigt klar, was sie wirklich will: Ruhe in der Partei. Denn so abgedroschen die Phrase auch sein mag: Geschlossenheit ist der Schlüssel zum Erfolg. In Düsseldorf hat die Partei an ihm gefeilt. Ob er am Ende passt, weiß gegenwärtig niemand. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort