"Geschützte Lügen"

BERLIN. (BB) Nach massivem Protest gegen das geplante Verbot heimlicher Vaterschaftstests rudert Justizministerin Brigitte Zypries zurück.

Weil durch ein neues Gesetz der Familienfrieden in vielen Ehen gefährdet werden könnte, hängt in der rot-grünen Koalition der Haussegen schief. Der Plan der Ministerinnen Brigitte Zypries (Justiz) und Ulla Schmidt (Gesundheit), heimliche Vaterschaftstests zweifelnder Männer verbieten zu lassen und sogar mit empfindlichen Geld- oder Gefängnisstrafen zu belegen, stößt nicht nur bei der Opposition auf Ablehnung. Auch die Grünen haben ernste Bedenken angemeldet. Das Vorhaben sei "verfehlt" und "nicht überzeugend", sagte der grüne Rechtsexperte Volker Beck. Zuvor hatte schon die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, angekündigt, dem Gesetzentwurf nicht zustimmen zu wollen. Da die Alternative zu einem heimlichen Test nur die offizielle Anfechtung der Vaterschaft vor Gericht sei, werde die Beziehung des betroffenen Paares ohne Not beschädigt. Männer müssten genau so sicher wie die Frauen wissen dürfen, ob ein Kind von ihnen abstammt. In diesem Sinne hatten sich bereits der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Andreas Schmidt (CDU), und der CSU-Rechtspolitiker Norbert Geis geäußert. Der CSU-Abgeordnete Wolfgang Zeitlmann nannte es "lebensfremd", die Klärung der Vaterschaftsfrage von der Zustimmung der Frau abhängig zu machen. Noch schärfer formulierte es der Verein "Väteraufbruch": Ein Verbot der heimlichen Tests stelle "die Lügen der Mütter unter staatlichen Schutz". Hintergrund dieser Befürchtung ist die Tatsache, dass nach seriösen Schätzungen bis zu zehn Prozent der deutschen Nachkommen "Kuckuckskinder" sind. Die Frau verheimlicht dabei den wahren Erzeuger, weil sie entweder einen ordentlichen Zahlvater braucht oder ihre Ehe oder Partnerschaft retten will. Dass dieses "Unterschieben" eine Straftat darstellt, wird billigend in Kauf genommen. In Zeiten sexueller Freizügigkeit zweifeln offenbar immer mehr Männer an der Treue und Lauterkeit des angeblich schwachen Geschlechts: Die Zahl der heimlichen Vaterschaftstests ist in den vergangenen Jahren explodiert. Mittlerweile werden jährlich 40 000 Gen-Analysen in Speziallabors erstellt, für Preise zwischen 300 und 1000 Euro. Bundesjustizministerin Zypries reagierte am Freitag auf den zunehmenden Protest gegen ihren Gesetzentwurf, dessen Einzelheiten derzeit in einer Arbeitsgruppe beraten werden. Gegenüber dem TV kündigte sie an, "noch einmal kreativ darüber nachzudenken". Unter anderem könnten die Gerichtsverfahren vereinfacht werden, die gegenwärtig zur Feststellung einer Vaterschaft vorgeschrieben sind. Allerdings wolle sie an ihrem Grundsatz "Kein Gentest ohne die Zustimmung aller Betroffenen" festhalten.

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