Gestaltung statt Gängelung

Es wurde allerhöchste Zeit für eine europäische Verfassung. Denn nur sie bietet eine Chance, die in rasendem Tempo voranschreitende ökonomische Vereinigung des Kontinents auf ein tragfähiges politisches und gesellschaftliches Fundament zu stellen.

Es wurde allerhöchste Zeit für eine europäische Verfassung. Denn nur sie bietet eine Chance, die in rasendem Tempo voranschreitende ökonomische Vereinigung des Kontinents auf ein tragfähiges politisches und gesellschaftliches Fundament zu stellen. Bislang ist das neue Europa ein Gigant, was optimale Verwertungsbedingungen für Unternehmen und einen radikal freien Markt angeht, aber ein Zwerg, was das Gemeinwesen betrifft. Die Verfassung hält fest, dass die Europäische Union auch da eine Wertegemeinschaft ist, wo es um Menschenrechte, Soziales und Kultur geht. Vielleicht schafft sie es mit der Zeit, die Brüsseler Bürokratie von Gängelung auf Gestaltung umzupolen. Schade, dass die Parteiendemokratie in Deutschland nicht gewagt hat, das Volk zum Souverän in der Entscheidung über diese elementare Frage zu machen. Nicht, weil eine Parlamentsmehrheit, zumal eine solch imposante, keine hinreichende Legitimation liefern würde. Aber eine Volksabstimmung wie in Frankreich hätte eine breite öffentliche Diskussion erzwungen, eine Beschäftigung mit der Zukunft in Europa, eine Positionsbestimmung in einer sich verändernden Welt. Stattdessen gab es eine abgehobene Politikerdebatte mit salbungsvollen Reden über die "historische Dimension", die in eklatantem Widerspruch zu der herrschenden Mischung aus Unkenntnis und Desinteresse bei den meisten Bürgern stehen. Dabei war die Angst vor dem Volk völlig überflüssig: Nach übereinstimmenden Umfragen hätten die Deutschen die Verfassung mit großer Mehrheit angenommen. Manchmal sind die Bürger vernünftiger, als Politiker sich vorstellen können. d.lintz@volksfreund.de

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