Gleiches Recht für alle

Von dem Berliner Urteil geht die Welt nicht unter. Wer das befürchtet, kann sich ja an jemand wenden, der was davon versteht. Die Zeugen Jehovas beispielsweise. Doch ernsthaft: Die Entscheidung, die Endzeit-Apokalyptiker den großen Kirchen rechtlich gleichzustellen, ist formal korrekt.

Zwar werfen Kritiker der Gemeinschaft vor, Bluttransfusionen ihrer Anhänger zu verhindern, mit rigiden Strafen Kinder zu züchtigen und Aussteiger psychisch unter Druck zu setzen. Aber das beklagte Land Berlin hat es jahrelang versäumt, Belege für die mangelnde Rechtstreue der Zeugen vorzulegen. Schlussfolgerung des Gerichts: Gleiches Recht für alle. Die Zeugen Jehovas dürfen künftig in der Hauptstadt Kirchensteuer einziehen und genießen finanzielle Privilegien, kommen also dem ersehnten "Paradies auf Erden" zumindest finanziell ein Stückchen näher. In elitären Clubs waren ungebetene Neuzugänge noch nie erwünscht: So erfolgte der Aufschrei der Etablierten so sicher wie das Amen im Gebet. Vor allem evangelische Würdenträger lamentieren über die Entscheidung, die "Wachturm"-Verkäufer juristisch aufzuwerten. Hauptargument: Die Zeugen Jehovas - unter dem Nazi-Regime verfolgt, in der DDR verboten - seien keine Glaubensgemeinschaft, sondern zeigten Tendenzen zur Sekte. Hier sorgt der Gerichtsentscheid allerdings eher für Klarheit. Staatlich anerkannte Körperschaften haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten: Sie stehen unter Aufsicht der Behörden. Missachten die Gottesfürchtigen beim Streben nach Seelenheil die irdischen Rechte ihrer Mitglieder, schaut die Justiz Jehovas Zeugen künftig genauer auf die frommen Finger. r.jakobs@volksfreund.de

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