Gratwanderung

Stimmungen machen Politik. Selten trifft diese Feststellung so zu wie im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung. Gerade bei spektakulären Fällen wie Kindesmord oder Sexualdelikten kocht die Volksseele hoch. Im manchen Fällen durchaus berechtigt, wenn wieder einmal Menschen fahrlässige Sicherheitslücken oder fatale Irrtümer bei der Einschätzung von Straftätern mit dem Leben bezahlten. Dann ist ein Ruf nach Konsequenzen zu verständlich. Doch jedem muss auch klar sein, dass dies nicht der Alltag ist. Genau darin liegt oftmals jedoch das Problem. In einer Welt, in der nur noch laute Töne zählen, geht die Einschätzung der Realität verloren. Das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, ist statistisch weitaus geringer als jeder für sich oder sein Umfeld annimmt. Doch das nutzt - zugegeben - all jenen nichts, die grundlos in der Trierer Innenstadt verprügelt oder sonst wo bestohlen und beraubt werden. Solche Vorfälle schüren Ängste bei allen Bürgern.

Verbrechensrisiken steigen zwar in einer mobilen und vernetzten Welt grundsätzlich, dabei gibt es jedoch weder Gründe zu dramatisieren noch zu verharmlosen. Hier werden alle Politiker ihren Aufgaben nicht gerecht, die den Menschen in ein Wechselbad der (Sicherheits-)Gefühle stürzen. Fest steht, dass schwere Straftaten seit Jahren auf dem Rückzug sind und eine ständige Angst um Leib und Leben oder Hab und Gut fehl am Platze ist. Wenn Politiker allzu schnell aus Kriminalität eine Bedrohungslage inszenieren, ist es möglicherweise auch nur vermeintlich eigennütziges Kalkül. Selbst Partei-Umfragen zeigen, dass beim Thema innere Sicherheit die Bürger lange nicht so bewegt sind wie gedacht - falsche Lageeinschätzung hin oder her.

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