Grenze überschritten

Die Aufarbeitung von Übergriffen gegenüber Gefangenen der Kriege in Afghanistan und im Irak folgte bisher in den USA einem bewährten Muster: Die Kleinen hängt man (nicht im wahrsten Sinne des Wortes, aber immerhin gab es hin und wieder Strafen), die Großen lässt man laufen.

Zu den "Großen" darf man mittlerweile getrost auch den zurückgetretenen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zählen. Es gibt mittlerweile eine Kette von Indizien dafür, dass er in die Verabschiedung von extrem fragwürdigen und nach Ansicht von Menschenrechtlern an Folter grenzenden Methoden intensiv eingebunden war und letztendlich auch Maßnahmen abgesegnet hat, mit denen widerspenstige Häftlinge zum Sprechen gebracht werden sollten. Die offizielle Position von US-Präsident Bush und seinem Vize Dick Cheney, Folter sei kein Bestandteil der amerikanischen Politik, wird dabei durch die Details der Rumsfeld-Memoranden ad absurdum geführt. Denn wer beispielsweise leichte Schläge erlaubt, solange diese nicht zu sichtbaren (und beweisbaren) Verletzungen führen, hat zweifelsohne bereits eine Grenze überschritten - ganz unabhängig von der Frage, ob die Inhaftierten den Schutz der Genfer Konvention genießen oder nicht. Im eigenen Land ist eine konsequente Aufarbeitung dieses Skandals bisher unterblieben und wird wohl auch kaum erfolgen. Zumal Rumsfeld durch seine Abberufung als politische Zielscheibe entfernt wurde und durch einen Erlass Bushs vom Oktober diesen Jahres mittlerweile auch immun gegen Strafverfolgung im eigenen Land ist. So bleibt wohl als letzte Möglichkeit eine Aufarbeitung durch die kürzlich in Deutschland gestellten Strafanzeigen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen gegen den Pentagon-Chef und elf andere Personen - wenn denn deutsche Staatsanwälte den Mut haben, sich dieses hochpolitischen Themas anzunehmen. nachrichten.red@volksfreund.de

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