Großer Knall

Im Anfang war der Urknall. Der Begriff, mit dem Kosmologen die Entstehung des Universums vor Milliarden von Jahren beschreiben, stammt aus dem Englischen. Wörtlich lautet er "big bang" (großer Knall).

Das ist durchaus ironisch gemeint - von Kritikern der Urknall-Theorie, die wissenschaftliche Erkenntnisse über den zufälligen Ursprung von Materie, Raum und Zeit ins Lächerliche ziehen. Die Zahl der Zweifler schrumpft indes; die Beweislage ist überwältigend. Nicht jedoch für religiöse Fundamentalisten - ob sie nun in Teheran sitzen oder in Kansas City. Man muss es gesehen haben, um es nicht zu glauben: Ausgerechnet in den Vereinigten Staaten, die sich für eine aufgeklärte Nation halten, sorgen Fanatiker für Wirbel. Christliche Sektierer, die auf der biblischen Schöpfungs-Variante beharren: Im Anfang war das Wort. Gott hat die Erde in sechs Tagen geschaffen. Kein Zufall, sondern Inspiration "von oben". Keine Evolution, wie sie Charles Darwin definierte, sondern Adam und Eva - und basta. Wider jede Vernunft psalmodieren die Sektierer ihr Credo. Das wäre nicht weiter schlimm: Überall auf der Welt gibt es Spinnerte, in deren Hirnen es tost wie in einem Beduinenzelt bei einem Wüstensturm; Menschen mit einem "großen Knall", die seltsame Dinge treiben und sonderbare Weisheiten verkünden. Bedenklich ist allerdings, dass es Fundamentalisten in den USA offenbar gelingt, weite Bevölkerungskreise für ihre sehr speziellen Ideen zu interessieren. Ihr jüngstes Ziel: die Evolutions-Lehre Darwins aus den Schulbüchern zu verbannen, zumindest aber in Frage zu stellen. In dieser Zuspitzung spiegelt sich ein Grundkonflikt, der das Land des George W. Bush an den Rand eines Kulturkampfes treibt: Die Kluft wächst - zwischen den mehrheitlich tief religiösen Menschen aus den Südstaaten und dem mittleren Westen, des so genannten "Bible Belt", und den liberalen Ost- und Westküsten-Bewohnern. Aufklärung, sagte der alte Kant, ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Längst fordern US-Intellektuelle wie der Schriftsteller Tom Wolfe ihre Landsleute auf, Mut zu fassen und sich des eigenen Verstandes zu bedienen - statt dumpfen Parolen blindlings zu folgen. Nur so lässt sich ein "großer Knall", der die Gesellschaft spalten würde, verhindern. p.reinhart@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort