Gründungen trotz Krise

Lange nichts mehr gehört von den angeblichen Irrungen und Wirrungen der neuen Handwerksordnung. Vor einem Jahr noch schrieen die Kammern Zeter und Mordio, malten die Obermeister diverser Innungen den Teufel an die Wand.

Das alles nur, weil die ebenso starre wie veraltete deutsche Handwerksordnung ein kleines Stückchen liberalisiert werden sollte. Die Diskussion um den Meisterbrief - ein Lehrbeispiel, wie Politik, Standesvertreter und Betroffene reagieren, wenn überholte Strukturen in Frage gestellt und Neuerungen diskutiert werden. Da werden aus verbalen Reform-Tigern plötzlich fußlahme Bedenkenträger. Beim großen Befähigungsnachweis hat das kollektive Aufheulen gottseidank nichts genutzt. Seit Januar können sich endlich auch in Deutschland viele Handwerker selbstständig machen, ohne den Meisterbrief in der Tasche zu haben. Das Zwischenergebnis nach sieben Monaten ist nicht der Untergang des Abendlandes, sondern ein deutliches Plus an Existenzgründungen - bundesweit und auch in der Region Trier. Dies ist umso bemerkenswerter, als die äußeren Rahmenbedingungen - Konjunkturkrise, Nachfrage-Flaute, zahlungsmüde Kundschaft - alles andere als ermutigend waren. So mancher neuerdings eigenverantwortliche Geselle hat nur darauf gewartet, endlich von den bürokratischen Fesseln befreit den Schritt in die Selbstständigkeit wagen zu können. Gewiss wird mancher nach einiger Zeit feststellen, dass er sich verkalkuliert hat und er den Betrieb wieder schließen muss. Das ist das Risiko jedes Unternehmers und hat mit dem Meisterbrief nichts zu tun. Jährlich steigende Pleiten-Zahlen gab es in Deutschland schließlich schon vor der novellierten Handwerksordnung. r.seydewitz@volksfreund.de

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