Gulliver soll entfesselt werden

BERLIN. (wk) Ein konsequenter Abbau von Bürokratie soll Bürger und Wirtschaft in den nächsten Jahren von Milliardenkosten entlasten.

Hildegard Müller gehört zu den jungen, ehrgeizigen Nachwuchskräften in der CDU und ist um mediengerechte Formulierungen nie verlegen. Manchmal komme ihr Deutschland vor wie der am Boden gefesselte Riese Gulliver, sagte sie gestern nach der Kabinettssitzung. Das "Spinnennetz" der Bürokratie koste Unternehmen wie Bürger "Zeit, Geld und Nerven". Als Staatsministerin im Kanzleramt will Müller nun eine "Entfesselungsoffensive" starten, Zuvor hatte die Bundesregierung ein Paket von 16 Maßnahmen beschlossen, mit dem mittelständische Unternehmen von Vorschriften entlastet werden sollen. So greift die steuerliche Buchführungspflicht künftig erst ab 500 000 Euro Umsatz (statt bisher 350 000 Euro), was für rund 150 000 Betriebe in Deutschland eine positive Nachricht ist. Datenschutzbeauftragte müssen erst ab zehn (vorher fünf Beschäftigte) ernannt werden und in die Statistikpflichten des produzierenden Gewerbes sind Betriebe erst ab 50 Beschäftigten (vorher 20) einbezogen, und damit nur noch 25 000 statt 48 000 Unternehmen. Weitere 37 Maßnahmen, darunter die Reform des GmbH-Gesetzes und des Umsatzsteuerrechts seien in Vorbereitung, sagte Wirtschafts-Staatssekretär Joachim Wuermeling. Ihre Verabschiedung brauche jedoch noch etwas Zeit. Für Müller ist dieses Paket zwar auch Bürokratieabbau, jedoch komme man mit Einzelregelungen auf Dauer nicht voran. Müller will ein neues System einrichten, das dafür sorgt, dass überflüssige Vorschriften schon vor der Verabschiedung von Gesetzen erkannt und eliminiert werden. Ein unabhängiger Normenkontrollrat soll alle neuen Vorhaben prüfen, die Bürokratiekosten nach holländischem Vorbild messen und Bewertungen abgeben. Die Überprüfung soll auch das bestehende Regelwerk umfassen. Das Gremium soll seine Arbeit aufnehmen, wenn ein Gesetzentwurf - voraussichtlich im Sommer - verabschiedet ist. Insgesamt bezifferte Wuermeling die Bürokratiekosten für Unternehmen auf rund 50 Milliarden Euro. Ziele, um wie viel sie sinken sollen, nannte er noch nicht.

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