Gute Noten für Bundeskanzlerin

Berlin. Nach anfänglichem Hader und einer scharfen Generalkritik vieler Wirtschaftsführer, vor allem aus der Autoindustrie, schließt Deutschlands Führungselite zunehmend Frieden mit der großen Koalition.

Zwar löst das schwarz-rote Regierungsbündnis bei Managern noch immer wenig Begeisterung aus. Doch hält es eine klare Mehrheit der Bosse immerhin für "eine stabile Lösung". Vor allem Angela Merkel hat es den Chefs aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung ganz offensichtlich angetan. Erst wenige Wochen im Amt, befindet sich die Regierungschefin bereits in einem bemerkenswerten Höhenflug. 74 Prozent stufen sie als "starke Kanzlerin" ein. Selbst das schlechte Ergebnis der Wahl vom 18. September mit nur 35,2 Prozent wird nicht mehr als Schwächung ihrer Position empfunden. Dagegen rechnet die Elite nicht mehr mit einem Comeback von Edmund Stoiber. Nur verschwindende zwei Prozent glauben, dass er noch einmal seine alte Bedeutung zurückgewinnen kann. 97 Prozent werten dagegen den Rückzug des CSU-Chefs und langjährigen Merkel-Rivalen aus Berlin als "Anfang vom Ende seiner politischen Karriere". Das sind einige Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Wirtschaftsmagazins "Capital", die gestern in Berlin vorgestellt wurde. Befragt wurden 526 Top-Entscheider aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft, unter ihnen 54 Chefs von Unternehmen mit über 20 000 Beschäftigten. Deutschlands Führungsspitze traut der neuen Regierungstruppe insgesamt einen guten Job zu. Besonders positiv werden Innenminister Schäuble (90 Prozent), Finanzminister Steinbrück (88 Prozent) und Außenminister Steinmeier (82 Prozent) bewertet. Wirtschaftsminister Glos, Landwirtschaftsminister Seehofer, Arbeitsminister Müntefering und Bildungsministerin Schavan bekommen verhalten positive Noten. Der neue Umweltminister Gabriel hingegen landet abgeschlagen auf dem letzten Platz. Ihm trauen nur 29 Prozent einen guten Job zu. Verhalten bis skeptisch bewertet Deutschlands Elite die möglichen Auswirkungen der im schwarz-roten Koalitionsvertrag beschlossenen Maßnahmen. Nur 23 Prozent sagen, dass dadurch kräftige Impulse für die Wirtschaft gesetzt werden. 75 Prozent dagegen halten das Maßnahmenpaket noch nicht für ausreichend. Angesichts der Probleme des Landes hätte die neue Regierung sich ruhig mehr vornehmen können. Dagegen werten 77 Prozent den Koalitionsvertrag als sozial ausgewogen. Insgesamt hat sich nach allgemeiner Elite-Einschätzung die SPD in den Verhandlungen deutlich stärker durchgesetzt als die CDU. Die Spitzenmanager sind überzeugt davon, dass die große Koalition die gesamte Legislaturperiode halten wird. Und 74 Prozent glauben, dass das Bündnis aus Union und SPD in allen wesentlichen Fragen geschlossen auftreten wird, nur 19 Prozent erwarten handfesten Streit. 76 Prozent gehen auch davon aus, dass Beschlüsse schnell gefasst und zügig umgesetzt werden. Allerdings rechnen 61 Prozent damit, dass sich die Bundesregierung wohl eher in "kleinen Schritten" bewegen wird. Erstaunliche 41 Prozent der Wirtschaftsführer haben sich bereits mit der anstehenden Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent angefreundet. Selbst die "Reichensteuer" findet inzwischen bei 31 Prozent Anklang. Insgesamt vertrauen die Manager der Leistungskraft des eigenen Unternehmens aber weit stärker als der des Staates. Gleichwohl ist laut Umfrage die Einschätzung zur künftigen Konjunktur "so optimistisch wie seit Jahren nicht mehr". So erwarten 69 Prozent der Befragten in den kommenden sechs Monaten "eine generelle Aufwärtsbewegung der deutschen Wirtschaft". Noch Mitte des Jahres betrug der Anteil der Optimisten lediglich 44 Prozent. Beurteilten im Juli 65 Prozent die Auftragsentwicklung als gut oder sehr gut, sind es im Dezember bereits 74 Prozent. Dazu Renate Köcher, Leiterin des Allensbach-Instituts gestern in Berlin: "Die große Koalition hat viel Anfangs-Glück. Sie läuft direkt in einen Aufschwung hinein." Mit der Kanzlerin Angela Merkel würden "viele die Hoffnung auf eine Politik verbinden, die über den als eher schwach eingestuften Koalitionsvertrag hinausgeht".

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