Halber Einsatz in Afghanistan

Das Urteil ist vernichtend: "In allen Bereichen, die dem politischen Teil eines Gesamtkonzeptes zuzuordnen wären, ist die Bilanz des bisher Erreichten unbefriedigend."

Das sagt kein Geringerer als Harald Kujat, der Generalinspekteur der Bundeswehr war, als der Afghanistan-Einsatz 2002 begann, und dann bis 2005 Vorsitzender des Militärausschusses der Nato. Er redet über das politische Versagen der Nato in Afghanistan. Über mangelnde Koordinierung, mangelnde Anstrengungen, mangelnden Willen. Deutschland ist mit seinem halb engagierten Bundeswehreinsatz Teil einer größeren, ebenso halb engagierten Mission namens Isaf. Sie hatte mal das Ziel, aus Afghanistan ein demokratisches Land zu machen. Inzwischen soll es nur noch ein Land werden, von dem keine Gefahren mehr ausgehen. Morgen wird der Bundestag den Auftrag um ein weiteres Jahr verlängern, wieder mit großer Mehrheit. Gegen eine wachsende Mehrheit in der Bevölkerung, die nur noch den schnellen Rückzug will. Es gibt nach nunmehr sechs Jahren beeindruckende Erfolge: Millionen Kinder, die wieder zur Schule gehen, ein demokratisch gewählter Präsident, ein Parlament, langsamer Wiederaufbau. Es gibt genauso das Gegenteil, die Rekord-Opium-Ernte etwa, aus deren Erlösen sich die Taliban finanzieren, die Rekordzahl von Anschlägen, die vielen toten Soldaten, darunter 26 Deutsche. Es gibt vor allem jene Berichte über die mangelnde politische Disziplin der Nato selbst, die Sorgen machen. Dazu gehört die Tatsache, dass die versprochenen Truppen tatsächlich nur zu 85 Prozent da sind, etwas über 30 000 Soldaten für ein Land, das doppelt so groß ist wie Deutschland. Es gibt eine mangelnde Übereinstimmung in der Strategie. Schon bei der Bekämpfung des Mohn-Anbaus gehen die Konzepte komplett auseinander. Die Entwicklung einer eigenständigen afghanischen Armee und der Polizei laufen miserabel, weil es an Geld, Ausrüstung und Ausbildern fehlt.Die Deutschen igeln sich ein im halbwegs ruhigen Norden. Die interne Debatte der politischen und militärischen Führung in Berlin dreht sich allenfalls darum, wie man den Forderungen der Partner nach Unterstützung im umkämpften Rest des Landes scheinbar entgegen kommen kann, ohne substanziell etwas zu tun. Die anderen agieren nicht anders. Sie alle sind froh, nicht mehr leisten zu müssen, als sie gerade leisten. Die deutsche Domino-Theorie, eine Region nach der anderen zu stabilisieren, kann nicht funktionieren, wenn die wenigen schon stabilisierten Regionen wieder wegzukippen drohen. So wird Afghanistan im Status eines Landes gehalten, das nicht Krieg und nicht Frieden hat. Schon wird darüber geredet, ob nicht ein Machtdeal mit den Taliban eine Lösung sei.

Das ist die Nato in ihrer ersten großen internationalen Bewährungsprobe: Ein unentschlossener Wohlstandshaufen, der mutig sein will, aber Angst hat, der aufbauen will, aber nicht genug Geld gibt, der koordiniert handeln will, aber jeder für sich. Gegen das Ja des Bundestages stünde nur ein Abzug mit verheerenden Folgen, wird jetzt wieder einmal argumentiert. Nein, gegen dieses jährlich wiederkehrende, allzu routinierte Ja muss endlich eine gemeinsame Vorwärtsstrategie der gesamten Allianz stehen.

 Werner Kolhoff.

Werner Kolhoff.

Foto: Iris Maurer
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