Herumdoktern hilft nicht

Dass Ärzte begabte Lobbyisten in eigener Sache sind, ist sicher wahr. Aber wer die Proteste dieser Tage beobachtet, kommt um die Erkenntnis nicht herum, dass da keine Verbandsfunktionäre ein Strohfeuer entzünden, sondern dass es Menschen um die Grundlage ihrer beruflichen Existenz geht.

Das hat auch mit Geld zu tun, aber nicht nur. Die Frage ist, ob es ein erträgliches Verhältnis zwischen Arzt und Patient geben kann, wenn der Arzt mit dem unmittelbaren Sparen am Patienten sein eigenes Einkommen verbessern kann, vielleicht sogar muss - und wenn der Patient künftig logischerweise jedes ärztliche Handeln oder Unterlassen unter diesem Blickwinkel betrachten wird, ob berechtigt oder nicht. Da wird zum Feld gegenseitiger Beobachtung und Abschätzung, was notwendigerweise eine Ebene unbefangenen Vertrauens sein müsste. Wenn die Ärzte an diesem Punkt erbittert kämpfen, tun sie es für die Patienten mit. Und ihr Protest ist um so verständlicher, als diese neue Maßnahme nur eine weitere unter den immer verzweifelteren, aber beileibe nicht erfolgversprechenderen Reformwursteleien einer ratlosen Politik darstellt. An den Patienten hat man schon ergebnislos herumgedoktert, an die Pharma-Industrie traut man sich nicht heran, jetzt sind halt die Ärzte das aktuelle Versuchskaninchen. Irgendwann wird man bestürzt den Flurschaden konstatieren und erstaunt bemerken, dass sich die Probleme sogar noch verschärft haben. Daran wird sich nichts ändern, solange alle Beteiligten ihre entscheidende Lebenslüge weiter pflegen: Dass es ein Gesundheitssystem geben könne, in dem jeder jederzeit Anspruch auf die optimale Versorgung hat, in dem alle Leistungen unabhängig vom geleisteten Beitrag erbracht werden, in dem Ärzte, Patienten und Gesundheitswirtschaft ihre Ansprüche befriedigen - und das nennenswert billiger wäre als das jetzige. Im Gegenteil: Wer ein solches System erhalten will, muss sich darauf einstellen, dass die Bürger einen noch deutlich höheren Anteil ihres Einkommens für die Gesundheit aufwenden müssen. Unbeschränkte Gesundheitsversorgung kostet Geld. Viel Geld. Wem das zu viel ist, oder wer glaubt, dass wir uns das nicht mehr leisten können, der muss so ehrlich sein, klar über die Alternativen zu reden. Mehr Markt, mehr Wahlfreiheit für die Patienten, mehr Individualität, aber dann eben auch mehr Ungleichheit und harte Regeln, wem unter welchen Bedingungen welche Leistung zusteht. So oder so: Keine schönen Aussichten. Aber besser, als sich weiter Illusionen hinzugeben. d.lintz@volksfreund.de

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