Hin und her gerissen

Der Fall Daschner hat etwas Tragisches: Wie auch immer der Frankfurter Polizei-Vize sich entschieden hätte - die Entscheidung konnte entweder moralisch oder rechtlich nur falsch ausfallen. Hätte Daschner in dem Glauben, das Leben des kleinen Jakob noch retten zu können, auf das Druckmittel der Folterandrohung verzichtet, so hätte er die Rechte des Entführers höher angesiedelt als das Leben des Opfers.

Er entschied sich jedoch dafür, dem inhaftierten Magnus Gäfgen verbal die Daumenschrauben anzusetzen. Dass er dabei einen unbestreitbaren Rechtsbruch beging, war ihm zu diesem Zeitpunkt klar. Die Aktennotiz zu seinem Vorgehen kommt schließlich einer Selbstanzeige gleich. Doch nicht nur Daschner blieb die Wahl zwischen zwei falschen Entscheidungen, auch das Frankfurter Gericht stand vor diesem Dilemma. Entweder verurteilte es den Beamten mit der vollen Härte des Gesetzes und hätte damit die gute Absicht des Polizisten bestraft; oder es hätte mit einem Freispruch das Strafgesetzbuch zur Makulatur erklärt. So setzte es um, was schon die Anklage in ihrem Plädoyer nahe gelegt hatte - eine Bewährungstrafe. Denn um einen Schuldspruch kam es nicht herum - Recht muss schließlich für jedermann Bestand haben. Weil es bei Daschners Drohung aber an einem verwerflichen Ziel gefehlt hatte, fiel die Strafe nur symbolisch aus. Für Daschner wie auch das Gericht galt: Du hast keine Chance, aber nutze sie. Daschners Tun moralisch zu verwerfen, ging nicht. Zum anderen stellt sich die Frage: Hat dieser Freispruch zweiter Klasse nicht eine Tür geöffnet, hinter der rechtsfreie Raum beginnt? Man ist hin und her gerissen. hj.mueller@volksfreund.de

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