Höchste Zeit für "Entwaltung"

Eines steht außer Zweifel: Ein umfassender Bürokratie-Abbau in Rheinland-Pfalz ist nötig, und - viel wichtiger - er ist möglich. An vielfältigen Vorschlägen fehlt es nicht, und es sind die Verwaltungsprofis selbst, die sie unterbreiten - auch wenn ihre Fantasie, von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, meist nur für die jeweils anderen Verwaltungsebenen ausreicht.

Es gibt keine Patentlösungen, und man wird in Ruhe beraten müssen, wie der beste Weg aussieht. Aber entscheidend ist, dass die Ebene, die das Sagen hat - und das ist in diesem Fall das Land - einen unbeugsamen Willen erkennen lässt, das Thema ernsthaft und mit klaren, auch zahlenmäßig fassbaren, Vorgaben für das Ziel durchzusetzen. Freiwillig und auf der Basis von Vernunft wird eine Veränderung, die weh tut, nie kommen. Und die Reform der Verwaltung und der Abbau der Bürokratie werden weh tun müssen, wenn sie mehr als Kosmetik sein sollen. Ein besonders ausgeprägter Wille, sich an diesem heißen Thema die Finger zu verbrennen, ist, mit Verlaub, in Mainz weder bei Regierung noch Opposition zu erkennen. Das mag taktische Gründe haben, die nach dem nächsten Wahltag einer schlagartigen Wandlung unterliegen. Es steht aber eher zu befürchten, dass die großen Parteien und ihre Spitzenleute die elementare Bedeutung des Themas und die Chance, die in einer großflächigen "Entwaltung" liegt, nicht einmal im Ansatz erkannt haben. Da steht bei der SPD immer noch der alte Glaubenssatz im Brevier, nach dem ein starker Staat auch ein möglichst dick besetzter Staat sein muss. Und bei den Christdemokraten wird der Blick auf neue Einsichten vom starren Starren auf kommunale Einfluss-Sphären getrübt. Dazu kommt die Angst vor dem Bürger. Der unterschreibt zwar jede Unterschriftenliste gegen Bürokratie, will aber gleichzeitig alles von seinem Staat geregelt haben. Wehe, da ist etwas nicht perfekt und bis aufs I-Tüpfelchen genormt und abgesichert: Schon schwingen Bürgerinitiativen die Keule, jagen Interessengruppen ihre Lobbyisten los, und Otto Normalverbraucher wackelt zum Anwalt - schließlich löhnt die Rechtsschutzversicherung. Klar ist: Wer weniger Bürokratie will, zahlt mit einem Stück mehr Risiko und Eigenverantwortung. Wer weniger Verwaltung will, muss auch ein paar Traditionen und Gewohnheiten opfern. Aber der Preis ist ungleich höher, wenn irgendwann die maroden öffentlichen Finanzen den Verantwortlichen, die jetzt nicht in die Gänge kommen, das Gesetz des Handelns aufzwingen. d.lintz@volksfreund.de

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