Hohe Wellen

Es ist schon erstaunlich, wie hoch die Wellen nach einem geistigen Tiefflug schlagen können. Der allseits bekannte und durch seine 23 Jahre an Lebenserfahrung "reiche" Philipp Mißfelder hat ein paar Bemerkungen in die politische Landschaft geworfen ("Keine künstlichen Hüftgelenke und kein Zahnersatz für Alte auf Kosten der Solidargemeinschaft"), die schlicht in den Mülleimer gehören. Gleichwohl stehen Medien und Politik Kopf. Mit dem Sommerloch allein lässt sich das nicht erklären. Denn der Chef des CDU-Nachwuchses "Junge Union" rührt an einem grundsätzlichen Tabu, das längst auch bei gestandenen Politikern wackelt. Unser Sozialstaat ist in die Jahre gekommen. Einst als Vorbild gepriesen, scheint er nur noch hinderlich und unmodern zu wirken. Aber was ist modern? Wenn die Rentner abgeschrieben werden, die SPD das Parteiprogramm der Union übernimmt und die FDP auf noch radikalere Lösungen sinnt? Und was ist sozial gerecht? SPD-Generalsekretär Olaf Scholz will jetzt bei der sozialen Gerechtigkeit das Attribut streichen. Im Interesse eines umfassenderen Gerechtigkeitsbegriffes, wie er sagt. Das ist natürlich kein Vergleich zu Mißfelder. Trotzdem geht es auch bei Scholz um einen Tabubruch: Er berührt das Selbstverständnis der Sozialdemokraten, aber auch die Zukunft unser Gesellschaft. Sicher ist alles sozial, was Arbeitsplätze schafft. Doch wenn die Jobs weg rationalisiert werden, darf Sozialpolitik nicht einfach unter die Räder kommen, zumal nicht jeder Mensch die gleiche Leistungsfähigkeit besitzt. Der Konflikt zwischen Jung und Alt steht nur stellvertretend für dieses brisante und komplexe Thema. Die Diskussion darüber ist zu wichtig, um sie Leuten wie Mißfelder zu überlassen. nachrichten.red@volksfreund.de

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