Ideales Anschauungsmaterial

Eigentlich müsste der Zuschauerraum im Trierer Amtsgericht für die Dauer des Awo-Prozesses überfüllt sein. Denn das Verfahren bietet ideales Anschauungsmaterial für die Gefahren, die sich aus einer Vermengung von ehrenamtlichem Engagement, sozialen Vereinszwecken und geschäftlicher Betätigung ergeben.

Das ist kein Awo-Spezifikum. Nicht umsonst hat der Staatsanwalt auf das CTT-Verfahren angespielt, auch wenn die Dimensionen in keiner Weise vergleichbar sind. Vergleichbar ist die Konstellation, dass überforderte Ehrenamtler, die ansonsten Weihnachtsfeiern und Stadtranderholungen organisieren, plötzlich millionenschwere Bauprojekte, undurchsichtige Firmenkonstruktionen und hochkomplizierte Liquiditätspläne beaufsichtigen sollen. Und das alles quasi unter Duz- oder Gesinnungsfreunden, im Dienst einer gemeinsamen guten Sache. Wer will da schon misstrauisch nachfragen? Bei der Awo kam vieles zusammen: Ein gelernter Sozialarbeiter als ideenreicher, aber in Unternehmensführung völlig unerfahrener Geschäftsführer; ein Vorstand im Schatten einer schwierigen Vorgeschichte; eine überforderte Verwaltung und dazu ein politisch sensibles Umfeld. Die Katastrophe war geradezu programmiert. Es muss nicht überall so enden wie bei der Awo. Aber angesichts einer gesellschaftlichen Entwicklung, die soziale Einrichtungen und Vereine immer mehr dazu zwingt, ihre Finanzierung auch über privatwirtschaftliche Betätigung sicherzustellen, ist der Prozess gegen Hermesdorf & Co. ein Lehrstück, das sich andere Träger zu Herzen nehmen sollten. d.lintz@volksfreund.de

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