Im Gespräch2

Vor einer Woche wurde in Wiesbaden ein neuer deutscher Minus-Rekord aufgestellt. 201 256 Menschen waren zur Wahl ihres neuen Oberbürgermeisters aufgerufen. 54 194 Wähler gaben ihre Stimme ab, von den 49 374 gültigen Stimmen entfielen 65,6 Prozent auf den künftigen Amtsinhaber.

Das heißt: Nur 32 403 von 201 256 Wahlbürgern - also nur 16,1 Prozent der Stimmberechtigten - haben sich für das neue Stadtoberhaupt ausgesprochen. 147 062 Menschen - 73,1 Prozent! - blieben den Wahlurnen fern. Die Wahl kann man somit eigentlich nur als eine Farce bezeichnen. Und es stellt sich die Frage, ob das wirklich eine ausreichende Legitimation ist. Gewiss: Die Vorgeschichte mag sicher auch zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Hatte es doch die örtliche SPD-Parteiführung versäumt, ihren Spitzenkandidaten termingerecht zur Wahl anzumelden. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Verdruss der Bürger über den Politikbetrieb immer stärker in einem wachsenden Desinteresse ausdrückt. Friedrich Nowottny, der frühere WDR-Intendant und "Bericht aus Bonn"-Moderator, hat dazu in dieser Woche in einem Interview gesagt: "Es geht nach meinem Eindruck in der Politik zunehmend darum, das Eigenprofil zu schärfen, und nicht darum, Probleme zu lösen. Was derzeit in der hysterischen Umweltschutz-Debatte und bei der Diskussion um Krippenplätze läuft, ist nichts anderes als Volksverwirrung, die dazu führt, dass das Interesse der Bürger abnimmt, dass die Wahlbeteiligung sinkt und politische Freiräume geboten werden, in die irgendwelche Volksbeglücker eindringen können." Damit trifft er, wie ich finde, mitten ins Schwarze. Ich wünsche Ihnen trotzdem ein erholsames Wochenende. Ihr Walter W. Weber Chefredakteur

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