Im Gespräch

Die Deutschen sehnen sich nach fast vergessenen Tugenden wie Anstand und Höflichkeit, stellte das Nachrichtenmagazin "Focus" fest und widmete dem Thema in der vergangenen Woche sogar die Titelgeschichte.

Als das Institut für Demoskopie Allensbach im Jahr 2003 gemeldet hatte, dass Höflichkeit in Deutschland wieder hoch im Kurs stünde (wir haben uns an dieser Stelle damit befasst), machte das noch keine Schlagzeilen. Was hat sich also in der Zwischenzeit verändert? Man liegt wohl nicht falsch mit der Schlussfolgerung, dass sich in dieser Beziehung die Grundstimmung in unserer Gesellschaft verändert hat. Beigetragen dazu haben sicher nicht zuletzt die heftigen Ruppigkeiten und massiven Stilbrüche, die in den letzten Jahren in der Politik wie in der Wirtschaft in zunehmendem Maße festzustellen waren. Schlüsselereignisse dürften da sicher die unverfroren zur Schau gestellte Selbstbedienungs-Mentalität der Mannesmann-Manager nach der Übernahme-Schlacht mit Voda- fone gewesen sein. Oder die Verkündigung von Unternehmens-Rekordgewinnen mit gleichzeitiger Ankündigung von Massenentlassungen. Und schließlich der rüde Auftritt von Gerhard Schröder gegenüber Angela Merkel am Wahlabend im Fernsehen. So etwas muss geradezu zwangsläufig Gegenreaktionen erzeugen. Nicht nur bei älteren - nein, auch und gerade bei jüngeren Menschen, die in unserer globalisierten Welt nach Orientierung und Wertmaßstäben suchen. Insofern trifft der neue Umgangsstil in der großen Koalition, wie er bislang zu beobachten ist, die Erwartungen und das Bedürfnis der meisten Menschen hier zu Lande. Bleibt abzuwarten, ob dieser Stil die anstehenden Landtagswahlkämpfe unbeschadet überstehen wird. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Walter W. Weber Chefredakteur

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