In der Defensive

Der einstündige Fernsehauftritt von US-Präsident George W. Bush vom Wochenende warf ein bezeichnendes Licht auf die politisch prekäre Situation des Texaners. Ein Mann, der kaum etwas mehr verabscheut als überraschende Fragen von Journalisten, verlässt auf Druck seiner Medienberater kurzfristig die Defensive und versucht sich in einem Interview an Schadensbegrenzung sowie einer Argumentations-Wende: Als Grund für die Invasion des Irak muss heute nun angesichts der Wahlkampf-Zeitbombe der partout nicht zu findenden Massen-Vernichtungswaffen die Formulierung herhalten, dass Saddam Hussein "gefährlich" und "ein Verrückter" gewesen sei. Doch dies war schon Bushs Vater bekannt, der sich im ersten Golfkrieg noch strikt an das UN-Mandat hielt und nach der Befreiung Kuwaits auf einen Marsch nach Bagdad verzichtete. Seit zudem CIA-Chef George Tenet öffentlich und freimütig die Einschätzung wiedergab, der Diktator in Bagdad sei keine unmittelbare Gefahr für die USA gewesen, entwickelt sich das Thema Irak immer mehr als möglicher Katalysator für eine politische Katastrophe des Amtsinhabers. Denn die negativen Folgen des umstrittenen Präventivkrieges sind vielfältig und kaum von der Hand zu weisen. Zunächst einmal hat die Invasion die Pläne Bushs, die Urheber der Terroranschläge des 11. September 2001 zur Rechenschaft zu ziehen und weitere Attacken im Keim zu ersticken, nicht gefördert: Weder gibt es bisher Spuren von Massen-Vernichtungswaffen noch belegbare Verbindungen der ehemaligen irakischen Führung zur El Kaida-Organisation. Die Beziehungen der USA zu bewährten Alliierten in Europa wie dem Nahen Osten sind immer noch schwer belastet, und der Vorsatz des Weißen Hauses, zur Lösung der Dauer-Krise zwischen Israel und der PLO beizutragen, köchelt auf Sparflamme. Mit über 500 getöteten Soldaten und keiner klaren Abzugs-Vision lebt das Vietnam-Trauma wieder auf. Zudem hat der Krieg den US-Staatshaushalt strapaziert und zu einem neuen Rekord-Defizit beigetragen. Das alles addiert sich zu einem massiven Glaubwürdigkeits-Problem für einen Präsidenten, der zudem über die jetzt geschaffenen überparteilichen Untersuchungs-Kommission wacht und den Schlussbericht erst im Mai 2005 zur Kenntnis nehmen möchte - dann, wenn die Wahl längst gelaufen ist. Jenes politische Kapital, dass George W. Bush durch die Vorgänge des 11. September 2001 und die Beseitigung des Taliban-Regimes in Afghanistan in den Schoß gefallen ist, wurde durch den Irak-Krieg vollständig aufgezehrt. Hinzu kommt, dass das erneute krasse Versagen des Geheimdienstes CIA in Sachen Saddam Hussein kein Vertrauen weckt, dass unter der Führung Bushs künftig das Land vor schweren Terroranschlägen sicher ist. Die US-Demokraten und vor allem der absehbare Spitzenkandidat John Kerry wittern deshalb zu Recht Morgenluft. Es könnte also als besonders pikante Note in die Geschichte eingehen, dass ein Regierungschef, dessen harte Hand ihm kurz nach Amtsantritt zunächst eine der höchsten Popularitätsquoten eines Präsidenten bescherte, nun möglicherweise ausgerechnet an dieser Philosophie scheitert - zumal ein öffentliches Eingeständnis, sich geirrt zu haben, offenbar nicht zu seinem Repertoire gehört. nachrichten.red@volksfreund.de

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