Jammern auf hohem Niveau

Bisher hat noch jede Interessengruppe ihr Wehklagen über die geplante Gesundheitsreform zu Protokoll gegeben. Da möchte auch die Pharma-Industrie nicht abseits stehen. Freilich wird ihr dieses Geschäft durch die guten Geschäfte nicht eben erleichtert. Seit 1991 sind die Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimittel um über 60 Prozent gestiegen. Ein Umstand, der sich segensreich für die Aktionäre der Gesundheitsindustrie auswirkte. Kaum eine andere Branche kann mit den wachsenden Börsenwerten der Pharmabetriebe mithalten. Erst gestern wieder meldete der Hersteller Altana eine neues Rekordergebnis. Natürlich sind Einschnitte immer bitter. Doch die Pillendreher klagen wahrlich auf hohem Niveau. Ihr Sparbeitrag ist harmlos im Vergleich zu den Belastungen für Otto-Normal-Bürger. Außerdem wird gern unterschlagen, was die Hersteller durch ihre perfekte Lobby-Arbeit zu verhindern wussten. Die Positivliste, einst Lieblingsprojekt von Gesundheitsministerin Schmidt, blieb bei den Konsensverhandlungen auf der Strecke. Damit sind auch weiterhin über 40 000 Medikamente in Deutschland im Angebot, obwohl andere Industriestaaten mit einem Bruchteil davon auskommen. Die Kosten-Nutzen-Analyse fiel dem parteiübergreifenden Kompromiss ebenfalls zum Opfer. Über den Sinn einer neuen Pille wird also künftig verstärkt geredet, wie tief der Patient dafür in die Tasche greifen muss, bleibt dagegen tabu. Um nicht missverstanden zu werden: Erfolgreiche Forschung und qualitativ hochwertige Medikamente haben ihren Preis. Aber nicht alles, was neu auf den Markt kommt, bedeutet auch wirklich medizinischen Fortschritt. An dieser Stelle setzt die Gesundheitsreform zaghaft zwar, aber doch spürbar an. Und das ist gut so. nachrichten.red@volksfreund.de

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