Musik Jammern auf hohem Niveau

CD-Piraterie sei eine "großartige Sache" sagt Superstar Robbie Williams und bringt damit die internationale Musikbranche dazu, noch lauter zu jammern, als sie es ohnehin schon auf der Musikmesse Midem in Cannes tat.

Recht hat der Superstar, denn in der Tat ist kaum etwas gegen Musik-Piraterie zu machen. Hat die Industrie eine neue Sicherung entdeckt, um CDs vorm "toasten" zu schützen, brauchen Computerfreaks nicht lange, um genau diesen Code zu knacken. Außerdem bringen so manche kopiergeschützte CDs ihre Käufer zur Verzweiflung, wenn sie nicht im Auto-CD-Spieler laufen oder auf dem heimischen Computer. Da geht der Kopier-Schutz gewaltig nach hinten los, denn er enttäuscht just diejenigen, die CDs für viel Geld im Laden kaufen und sie sich nicht zu Hause brennen. Die Musikbranche ist in der Zwickmühle: Kopierschutz kann also nicht die Lösung sein. Zudem ist diese Debatte so alt wie die Erfindung des Tonbandgeräts und hat die Musikindustrie seitdem nicht ruiniert ­ ein Scheingefecht also. Das millionenfache Raubkopieren in Asien ist organisierte Kriminalität. Dagegen etwas zu unternehmen ist Aufgabe der Polizei. Da drängt sich eine andere Perspektive auf. Eine Schallplatte bietet zwar nicht soviel Musik-Spielzeit wie die CD, hat dafür aber in den 70er Jahren höchstens 19 Mark gekostet. Eine aktuelle CD kostet inzwischen das Doppelte und strapaziert den Geldbeutel stärker. Der Käufer wird sich die Kaufentscheidung reiflicher überlegen als zu Vinyl-Zeiten. Nachdenklich stimmt der hohe Kostenaufwand, mit dem CDs vermarktet werden. Da laufen Werbespots zur Prime-Time im Fernsehen, Casting-Wettbewerbe werden mit viel Personal-Aufwand organisiert, Reklametafeln preisen CDs an, die ohnehin schon auf Platz 1 sind. In unzähligen Preis-Verleihungen vom Viva-Comet bis zum MTV-Award beweihräuchert sich eine ganze Industrie. Wieviele CDs ließen sich für das Geld produzieren? Da stellt sich die Frage, ob sich das Marketing-Instrumentarium der Musikbranche nicht verselbstständigt hat und aus dem Ruder läuft. Soviel Werbung um Musik und große und kleine "Superstars" ist beispiellos. Und die Gehälter scheinen zu stimmen. Wer einmal auf MTV in der Serie "Cribs" gesehen hat, in welchen Hollywood-Luxus-Villen schon junge Bands wie etwa "Korn" leben, die erst seit kurzem im Geschäft sind, sieht sich bestätigt. Vielleicht könnten mehr Qualität, weniger Werbung und ein etwas moderaterer Preis aus der Krise führen. Strukturelles Umdenken ist daher angesagt und kein Gejammere. hp.linz@volksfreund.de

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