Jetzt zankt die Koalition ums Arbeitslosengeld

Im SPD-internen Konflikt um das Arbeitslosengeld stehen die Zeichen wieder auf Entspannung. Er wolle zusammen mit SPD-Chef Kurt Beck bis zum Parteitag Ende Oktober nach einer "einvernehmlichen Lösung" suchen, kündigte Vizekanzler Franz Müntefering an. Nun muss die Union in dieser Frage Farbe bekennen.

Berlin. Die politisch noch aktiven Schöpfer der Agenda 2010 haben lange still gehalten. Anderthalb Wochen nach dem Vorstoß von SPD-Chef Kurt Beck, das Arbeitslosengeld (ALG I) für Ältere zu verlängern, meldete sich gestern ihr prominentester Vertreter zu Wort - um vorsichtig dagegen zu opponieren: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der als Kanzleramtschef unter Gerhard Schröder maßgeblich am Entstehen des Reformwerks beteiligt war, lobte in einem Interview Becks Widerpart, Franz Müntefering, als "erfolgreichsten Arbeitsminister seit Jahrzehnten". Zugleich brachte Steinmeier jedoch das Kunststück fertig, mit Becks Idee zu sympathisieren, indem er für einen Kompromiss ("Brücken bauen") zwischen ALG-Verlängerung und Münteferings Warnung davor eintrat. Wie diese Brücken konkret aussehen könnten, steht freilich in den Sternen. Schon kursieren in der SPD Szenarien, dass sich Müntefering wegen seiner absehbaren Niederlage auf dem Parteitag wenig grämen müsse, weil ein Beschluss zur verlängerten Zahlung des Arbeitslosengeldes ohnehin keine Aussicht auf Verwirklichung in der Großen Koalition habe. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, schien diese These gestern zu bestätigen, als er Beck in ungewöhnlich scharfer Form vorwarf, einen "Kurswechsel" anzuzetteln und die "Geschäftsgrundlage der Koalition" zu verändern. Tatsächlich enthält die Koalitionsvereinbarung, der 2005 auch ein SPD-Parteitag zustimmte, keinerlei Hinweise für eine Reform beim Arbeitslosengeld. Zwischenzeitlich gab es jedoch einen Parteitag der CDU mit entsprechenden Korrekturwünschen. Im Dezember des Vorjahres hatten die Christdemokraten auf Druck ihres nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers einen Beschluss gefasst, die Bezugsdauer des ALG I zu verlängern. Zwar wurde kurz danach auch im Koalitionsausschuss darüber debattiert, aber das Engagement der CDU-Spitze zur Verwirklichung dieses Plans hielt sich in Grenzen. Mit Becks Vorstoß könnte der Parteitagsbeschluss von damals nun in neuem Licht erscheinen. Wo steht Merkel? Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Die SPD-Protagonisten Beck und Müntefering sind damit beschäftigt, sich im Konflikt über das Arbeitslosengeld I zu verkeilen. Doch ein Anlass zur Genugtuung bietet sich für CDU und CSU nicht. Das Tohuwabohu beim Koalitionspartner verdeckt nur, dass auch die Union bei der Agenda 2010 keineswegs an einem Strang zieht. Manches spricht dafür, dass die SPD ihren Zwist spätestens auf dem Bundesparteitag in knapp drei Wochen entschärfen wird. Spätestens dann wird es sich Angela Merkel kaum mehr so leicht machen können wie bisher. Von wegen, beim Arbeitslosengeld handele es sich um eine Parteien- und keine Regierungsdebatte. Selbst wenn es so wäre - Merkel ist nicht nur Kanzlerin, sondern CDU-Chefin. Schon deshalb kommt sie um klare Vorgaben in Sachen Arbeitslosengeld nicht herum. nachrichten.red@volksfreund.de

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