Kampf gegen den blauen Dunst

BERLIN. Das Bundeskabinett hat gestern gemäß EU-Recht ein Werbeverbot für Zigaretten und Tabakwaren auf den Gesetzesweg gebracht.

Die Marlboro-Männer haben es künftig schwerer, ihr Gefühl von Freiheit und Abenteuer zu verbreiten: Nachdem das Verbraucherschutzministerium am Dienstag eine über 1000 Seiten starke Liste mit diversen Zusatzstoffen bei Tabakprodukten ins Internet gestellt hatte, ging der regierungsoffizielle Kampf gegen den blauen Dunst gestern weiter. Das Kabinett verabschiedete einen Gesetz-Entwurf, wonach die Reklame für Tabakerzeugnisse in Zeitungen und Zeitschriften sowie im Internet und bei grenzüberschreitenden Sportveranstaltungen wie Formel-1-Rennen verboten wird.

Im Kino ist die Tabakwerbung allerdings weiter möglich. Dem Gesetzentwurf war ein langer Zwist voraus gegangenen. Zu den größten Bedenkenträgern gehörte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), während Renate Künast (Verbraucherschutz/Grüne) und Ulla Schmidt (Gesundheit/SPD) für das Verbot stritten. Am Ende blieb der Regierung wohl auch keine andere Wahl, denn die Neuregelung fußt auf einer EU-Richtlinie, die alle Staaten der Europäischen Gemeinschaft bis Ende Juli umsetzen müssen. Merkwürdig ist allerdings, dass Rot-Grün aus formalen Gründen gegen eben jene Richtlinie ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angestrengt hat. Die Klage läuft seit September 2003. Das Verfahren entbinde nicht von der Verpflichtung, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, suchte Verbraucherschutzministerin Künast gestern den Zwiespalt zu erklären. Nach offizieller Darstellung unterstützt die Regierung alle Bestrebungen, den Tabakkonsum einzudämmen. Gleichzeitig sieht sie jedoch in der Brüsseler Vorgabe einen unzulässigen Eingriff in nationale Belange. Schließlich treffe das Werbeverbot auch solche Zeitungen, die ausschließlich oder ganz überwiegend im Inland vertrieben würden, so argumentiert das Verbraucherschutzministerium.

Für den Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) bleibt das Verhalten der Regierung freilich ein eklatanter Widerspruch. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Rot-Grün das Tabakwerbeverbot „voreilig“ umsetzen wolle, aber gleichzeitig beim EuGH dagegen klage. Ob das Werbeverbot im Falle eines juristischen Erfolgs hier zu Lande trotzdem weiter Bestand hätte, ließ das Verbraucherschutzministerium offen. „Solche Fragen werden dann beantwortet, wenn sie sich stellen“, sagte ein Sprecher. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, sieht die Regierungsmaßnahme als Teil einer Strategie gegen den Tabakkonsum. Nach ihrem jüngsten Drogenbericht ist auch die massive Anhebung der Tabaksteuer ein gesundheitspolitischer Erfolg. Laut einer Umfrage gaben 7,9 Prozent der Raucher eingedenk der ersten Erhöhungsstufe zum 1. März 2004 an, mit dem Laster gebrochen zu haben. Die zweite Stufe der Tabaksteuererhöhung zum 1. Dezember fand mit weiteren 7,5 Prozent Abstinenzlern eine ähnliche Resonanz. Für den Finanzminister ist die Steueranhebung allerdings ein Verlustgeschäft. Weil offenbar auch immer mehr Raucher auf Schwarzimporte ausweichen, nahm der Fiskus 2004 nur rund 13,6 Milliarden Euro über die Tabaksteuer ein (geplant waren fast 15,7 Milliarden).

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