Kanzler bittet zum Ausflug

BERLIN. Pflege- und Bürgerversicherung sind die Hauptthemen einer Klausurtagung der Bundesregierung zusammen mit den Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen.

Neuhardenberg - der Name steht für ein schönes Anwesen im märkischen Oderland, unweit von Berlin, das der dankbare König Friedrich Wilhelm III. seinem Reformkanzler Karl August Fürst von Hardenberg 1814 schenkte. Seit letztem Jahr steht Neuhardenberg aber auch für ein besonderes Treffen. Denn dort hatte erstmals nach 25 Jahren ein Bundeskanzler sein Kabinett wieder zur "Klausur" gebeten. "Ein Aufbruchssignal" gehe von dem Wochenende aus, meinte Gerhard Schröder damals. Nun quartieren sich das Kabinett sowie die Fraktionsspitzen von SPD und Grünen am 9. und 10. Juli erneut im Brandenburgischen ein. Und siehe da, die Probleme, über die die Regierenden das ein oder andere Wörtchen verlieren dürften, sind fast dieselben. Also krempeln Gerhard Schröder und seine Getreuen wieder die Ärmel hoch, lassen die Krawatten weg und setzen sich in Freizeitkleidung zum zweiten Mal unter den großen Baum im Schlossgarten, um die Fortsetzung des Reformkurses zu besprechen. Schon seit einem Viertel Jahr, hieß es gestern aus Regierungskreisen gegenüber unserer Zeitung, sei Gerhard Schröder mit der Idee der Neuauflage von Neuhardenberg schwanger gegangen. Erst jetzt durfte sein Sprecher das Treffen jedoch verkünden. Der Grund: Der Kanzler wollte wohl den Eindruck vermeiden, es gehe mal wieder gegen den angeschlagenen Finanzminister Hans Eichel (SPD). Damals drehte sich zwar alles um das Vorziehen der Steuerreform und die Gegenfinanzierung, wie im letzten Jahr steht der Hesse aber auch diesmal wieder unter Beschuss wegen immer neuer Löcher im Haushalt. Selbst die Ministerkollegen verweigern ihm die Gefolgschaft beim Sparen, weswegen die derzeitigen Chefgespräche über die Etats 2005 noch in der kommenden Woche fortgeführt werden müssen. Am 23. Juni will das Kabinett den Haushalt für das kommende Jahr dann allerdings verabschieden. Folglich sind die haushaltspolitischen Entscheidungen sicherheitshalber schon vor der Klausur getroffen - und Eichel ist damit weitgehend aus der Schusslinie. Beim Kabinettsausflug soll stattdessen "die Bürgerversicherung eine große Rolle spielen", verlautete es von Regierungsseite. Außerdem plant die Koalition, in der Idylle ein rot-grünes Streitthema aus dem Weg zu räumen: die Reform der Pflege. Laut Bundesverfassungsgericht müssen Eltern ab Anfang 2005 bei den Beiträgen besser gestellt werden, die Grünen wollen aber anders als die Genossen darüber hinausgehende Reformschritte. Von der Entscheidung, die Kabinettsklausur erneut abzuhalten, dürfte sich der Kanzler auch eine Signalwirkung versprechen: Schröder will die Entschlossenheit der Regierung zeigen, die Probleme zu meistern. Schließlich befindet sich sein Kabinett in der Dauerkrise.

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