Kappensitzung am Kamin

Kommissionenund Konsensgespräche, Palaver-Runden und Lobbyistenwirtschaft,das war Politik made in Deutschland im letzten Jahr, und das wirdauch weiter so bleiben. Jüngstes Beispiel: das Gespräch gesternAbend im Kanzleramt. Einen ernsthaften Sondierungsversuch nennendas die einen, von einem Spitzengespräch der relevantengesellschaftlichen Gruppen reden die anderen. Die Wahrheit ist:Was da medienwirksam inszeniert wurde, ist nichts anderes alseine Kappensitzung am Kanzlerkamin und zwar mit völlig humorlosenAkteuren. Da wäre Gerhard Schröder, immerhin Regierungschef dieses Landes. Der Niedersachse taumelt seit Monaten von einer Peinlichkeit in die nächste, löst keine Probleme, sondern verschiebt sie in immer neue Kommissionen. Babylonische Geschwätzigkeit allerorten als Markenzeichen seines Kabinetts, wo Zupacken und konsequentes Handeln notwendig wären.

Da gibt es auf der anderen Seite die Arbeitgeber. Ihnen geht es längst nicht mehr nur um wirkliche Reformen, um politische Bewegung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Sie wittern angesichts von Arbeitslosenheer und drohendem Staatsbankrott die einmalige Chance, endgültig Feuer an die Wurzeln der sozialen Marktwirtschaft zu legen, ein brandgefährliches Spiel. Sie wollen Reformen, aber ausschließlich zu ihren Gunsten und auf dem Rücken der Arbeitnehmer.

Blieben noch die Gewerkschaften. Die Herren Sommer, Bsirske und Zwickel wirken wie Dinosaurier, die von der plötzlichen Eiszeit überrascht werden - und genau so beweglich sind sie auch. Nur ja nicht nach vorne denken! Alles muss so bleiben wie es ist. Der Heizer auf der E-Lok ist für sie kein Widersinn, sondern Handlungsmaxime. Koste es, was es wolle, im Notfall wirtschaftlichen Rückschritt und damit Arbeitsplätze.

Diese wundersamen Herren mit dem scheinbar unabänderlichen Äußerungsdrang zu fast jedem Thema außer der Wettervorhersage sind Garanten des Stillstands. Sie taugen nicht als Wegbereiter und Gestalter der unbedingt notwendigen Anpassungen an neue Herausforderungen. Was also soll vor diesem Hintergrund das Geplapper von Berlin? Ein Kanzler, der nicht regiert, Wirtschaftsbosse, die eine Einigung in ihrem Sinne diktieren wollen, und Gewerkschaftsführer, die so unflexibel sind wie ein Amboss. Sie redeten gestern miteinander und aneinander vorbei. Das war\\\'s.

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