Kein Einzelfall

Es ist beschämend, was beim einstigen Vorzeigeunternehmen Siemens anscheinend passiert ist: Zweistellige Millionenbeträge wurden offenbar ausgegeben, um sich willfährige, weil arbeitgeberfreundliche, Betriebsräte zu kaufen, die die harten Einschnitte und die Umstrukturierungen des Konzerns ohne Widerstand mitgetragen haben.

Mitbestimmung wurde als Sand im Getriebe gesehen, lästig für einige Konzernchefs, störend beim Profitstreben. Korruption als Mittel zum Erfolg. Ein Skandal, schwerer wiegend als die VW-Affäre, bei der mit Lust-Reisen und Sexpartys die Betriebsräte ruhig gestellt wurden. Doch genau deswegen sollte sich die Gewerkschaft nun nicht ganz so weit aus dem Fenster lehnen. Die Kritik an den offenkundigen Machenschaften bei Siemens ist berechtigt, aber bitte nicht zu arg auf den Putz hauen. Denn gerade die IG Metall sollte nicht ihre unrühmliche Rolle bei VW vergessen. Bei der Affäre des Wolfsburger Automobilkonzerns haben sich Gewerkschaftsfunktionäre schmieren lassen und damit auch jede Menge Porzellan zerdeppert. Siemens hat mit seinen offenbar kriminellen Machenschaften nicht nur seinen Ruf als Vorbild für ein gutes Miteinander von Konzernspitze und Mitarbeitern und zumindest in der breiten Öffentlichkeit als anständiges Unternehmen ruiniert, die weiße Weste ist befleckt. Was noch weitaus gravierender ist: Die Sozialpartnerschaft in den Unternehmen hat durch den vermutlichen Bestechungsskandal einen nicht zu kittenden Riss bekommen, der die Glaubwürdigkeit der deutschen Wirtschaft und der Gewerkschaften in Frage stellt. Die jüngsten Affären legen daher den Verdacht nahe, dass es sich keinesfalls um Einzelfälle handelt, sondern dass System dahinter steckt. b.wientjes@volksfreund.de

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