Keine Panikmache!

Es ist nur eine Randnotiz zu den dramatischen Ereignissen der vergangenen Tage. Die australische Regierung warnt ihre Landsleute vor Reisen nach Großbritannien. Eine große westeuropäische Demokratie wird damit von der Gefährlichkeit her auf dieselbe Stufe mit dem Iran und Jordanien gestellt.

Wenn diese Sicht sich durchsetzt, hätten die Bombenleger von London und die Terrorfahrer von Glasgow doch noch eines ihrer Ziele erreicht. Zu töten und schwer zu verletzen - und zwar so viele Menschen wie eben möglich - gelang ihnen nicht. Aber sie hätten erfolgreich Angst und Schrecken verbreitet. Sie hätten erfolgreich in unser Leben eingegriffen. Sie hätten unseren way of life, zu dem das Reisen und die Mobilität gehören, erfolgreich gestört. Die Bombenleger von London und die Terrorfahrer von Glasgow haben alle gemeint, die so arbeiten und so leben.Nicht zufällig haben sie sich touristische Sehenswürdigkeiten und einen Flughafen als Ziele ausgesucht, Orte, an denen viele Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammenkommen. Die Briten selbst gehen mit dem allzu menschlichen Gefühl der Angst um, so gut es eben geht. Sie bewahren größtenteils Ruhe. Beim Warten in langen Schlangen vor den Sicherheitschecks in Flughäfen und anderen öffentlichen Gebäuden fällt auf der Insel fast nie ein böses Wort. Man könnte es auch so ausdrücken: Sie halten zusammen.

Das trifft auch auf die allermeisten muslimischen Briten zu. Vertreter der islamischen Gemeinde meldeten sich sofort nach den Anschlägen zu Wort. Sie verurteilten die Taten und riefen zur Zusammenarbeit mit der Polizei auf. Ohne Wenn und Aber.

Was die Briten nun am wenigsten gebrauchen können, sind Illoyalität und Panikmache durch ihre Partner in der westlichen Welt. Unterstützung und Zuversicht sind gefragt. Und es gibt gute Gründe, zuversichtlich zu sein. Inwieweit, das liegt vor allem an uns selbst. Denn wir selbst haben eine Aufgabe im Kampf gegen den Terror. Es waren aufmerksame Bürger, die ein Inferno in London verhinderten. Die Sanitäter, die auf den verdächtigen Wagen hinwiesen, der ihnen bei einem Einsatz zufällig aufgefallen war, sind die Helden der vergangenen Tage. Großbritannien hat eine große Tradition des Bürgersinns und der Nachbarschaftshilfe. Das hat nichts mit einer in Deutschland aus historischen Gründen zu Recht gefürchteten Blockwartmentalität zu tun, sondern mit Zivilcourage.

Es wird in Deutschland jetzt wieder viele geben, die meinen: selbst schuld. Wärt ihr nicht mit den Amerikanern in den Irak einmarschiert, dann würden jetzt keine Autobomben am Piccadilly Circus abgestellt. Diese Arroganz ist unangebracht. Die neue britische Regierung sollte von den Deutschen eine faire Chance bekommen, auch wenn Gordon Brown und viele seiner Minister das Desaster im Irak mitzuverantworten haben.

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