Keine wirkliche Alternative

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der beste "Reformator" im ganzen Land? Der Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende Gerhard Schröder ist es zweifellos derzeit nicht. Weil der vehemente Widerstand in seiner Partei gegen die Maßnahmen der "Agenda Zwanzigzehn" die Genossen bis zum Sonderparteitag am 1. Juni - vermutlich auch noch darüber hinaus - in Atem halten und politisch lähmen wird.

 SHstrauss320030422.jpg

SHstrauss320030422.jpg

Foto: axentis.de / Georg J. Lopata (www.axentis.de )

Sind daher automatisch Angela Merkel, die CDU-Chefin, und Edmund Stoiber, der CSU-Vorsitzende, die Antreiber, da sie zumindest in der Lage waren, sich auf ein gemeinsames Paket bei den Sozial- und Arbeitsmarktreformen zu verständigen? Nimmt man den Faktor "Geschlossenheit" als ein zentrales Moment für die Umsetzung und die Akzeptanz von Reformen, ist es der Union in der Tat gelungen, sich nach wochenlanger Selbsttherapie von der zerstrittenen SPD deutlich abzusetzen. Damit hat es sich allerdings auch schon. Vorerst vergessen ist der interne Streit, den der eigensinnige bayerische Ministerpräsident mit noch vorhandenen Kanzlerkandidaten-Allüren Mitte März durch seinen 40-Punkte-Sanierungsplan ausgelöst hat. Inhaltlich sind die kompromissfreudigen C-Parteien mit ihrem Konzept allerdings noch weit entfernt von einem umfassenden Gegenangebot zum Schröder-Kurs. Als die besseren "Reformatoren" stehen sie nicht da. Denn die Union macht es sich leicht, in dem sie bloß schnöde an denselben Stellschrauben wie die Regierung dreht, statt sich endlich den Nimbus der wirklichen Alternative zu verpassen. Wie es sich für Konservative mit den Unternehmerfähnchen in der Hand anscheinend gehört, dreht sie natürlich weitaus stärker. Genau deshalb müssen sich CDU und CSU eindringlich dieselben Fragen stellen lassen, die dem Kanzler aus Niedersachsen zur Zeit das Regieren so schwer machen: Wo ist das Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit und Ausgewogenheit bei dem, was auch Merkel und Stoiber vor allem auf dem Rücken von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern umsetzen wollen? Reformen ja, aber bringen sie in der Tat auch mehr Beschäftigung? Bei der Beantwortung windet sich die Opposition im Reform-Wettlauf genauso wie die Regierung, weil man sich ausschließlich darauf eingeschossen hat, die einstürzenden Finanz- und Sozialsysteme um jeden Preis notdürftig zu flicken. Die Sozialpolitiker der C-Parteien dürften mit dem Kompromiss jedenfalls nicht zufrieden sein, sind sie doch eindeutig die Verlierer. Gleiches gilt wohl für die Unionisten im Osten, wo der schwarze Maßnahmenkatalog noch existentieller empfunden werden wird. Ohne Zweifel ist der Kompromiss klar CSU-lastig, womit dem nahenden Landtagswahlkampf in Bayern Rechnung getragen wird. Im Gegenzug ist Stoiber der Merkel-Linie entgegengekommen, nur auf die Themenvorgabe der Regierung zu reagieren und die SPD gleichzeitig im eigenen Zoff schmoren zu lassen. Nur: Auch Gerhard Schröder haben die Unions-Größen komischerweise eine Steilvorlage gegenüber seinen Kritikern geliefert - seht her, mit der Union würde alles noch viel schlimmer werden, kann der Kanzler nun verkünden. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort